Dieses Buch liest sich am besten im Querformat
Knobi ist eigentlich ein ganz gewöhnlicher Junge. Er ist 7 Jahre alt und geht in die zweite Klasse. Er ist nicht besonders groß und nicht besonders klein. Seine braunen Haare sind leicht gewellt und reichen ihm knapp über die Ohren. Er hat blaue Augen mit schwarzen, dichten Wimpern und eine Stupsnase. Als Knobi noch fünf war, dachten viele Erwachsene, Knobi sei ein Mädchen. "Na, will die Kleine vielleicht ‘ne Scheibe Wurst?" fragten oft Verkäuferinnen. Knobi war dann immer sauer. Aber die Wurst nahm er trotzdem. Knobi kann wunderbar laut mit der Zunge knallen. So laut, dass sich viele Leute schon richtig erschreckt haben. Größere Kinder fragen ihn immer, wenn er knallt: "Wie machst‘en das? Gib zu, du hast was im Mund." Aber Knobi hat nichts im Mund.
Er kann wirklich echt mit der Zunge knallen. Niemand kann das so wie er. Stimmt, das ist etwas Außergewöhnliches. Nur mit dem Pfeifen wollte es lange nicht klappen. Sogar Angela, ein Nachbarskind und ein halbes Jahr jünger als Knobi, konnte es schon lange vor ihm. Oh, da war er ganz schön geknickt. Und als er dann endlich die ersten Töne herausbrachte, war er ziemlich stolz. Allerdings pfiff er zunächst erst falsch herum. Er sog die Luft durch die Lippen ein, statt sie hinauszupusten. Aber das hatte zum Glück niemand bemerkt. Und jetzt kann er beides, nach innen und nach außen pfeifen. Knobi hat eine Mutter, einen Vater und zwei viel ältere Schwestern.
Knobi denkt manchmal, ich hab´ zwar Geschwister, aber irgendwie hab´ ich auch wieder keine, denn die sind schon wie Große und kommandieren einen immer nur herum: Knobi hol dieses, Knobi tu jenes und so weiter, immer dasselbe. Langweilig ist das. Ja, so denkt Knobi oft. Er hat nämlich etwas gegen die Großen, die immer bestimmen. Knobis Eltern gehen beide bis spät nachmittags arbeiten, und das findet er gar nicht schlecht. So hat er wenigstens nach der Schule seine Ruhe und wird nicht genervt. Wenn die Mutter dann nach Hause kommt, geht es sowieso immer los: "Knobi! Hast du dein Zimmer aufgeräumt?" ruft sie, sobald sie die Wohnung betreten hat. Dann dauert es keine Sekunde, und schon steht sie in Knobis Zimmer und sagt enttäuscht: "Ach Knobi! Immer dasselbe! Wie oft soll ich dir das noch sagen, du sollst in deinem Zimmer nicht ständig solch eine Unordnung machen!"
Na und dann muss er eben aufräumen, obwohl er dazu gerade überhaupt keine Lust hat. Und genau das meint Knobi mit dem Bestimmen. Immer muss alles so gemacht werden, wie die Großen das wollen. Wie die meisten Kinder findet Knobi die Schule manchmal doof und manchmal gut. Meistens findet er sie aber doof, weil da auch die Lehrerin immer bestimmt. Immer! Von der ersten bis zur letzten Minute. Das findet Knobi einfach ungerecht. Er darf nicht einfach mal bestimmen: "So, und jetzt legt ihr alle eure Stifte hin, jetzt geh‘n wir raus spielen!"Nee, nee, das geht natürlich nicht. Im Kindergarten war es die Kindergärtnerin, die bestimmen durfte. In der Schule ist es nun Frau Schuster, die Lehrerin, und zu Hause sind und bleiben es natürlich immer die Eltern und die Schwestern. Und dann sagt sie noch: "Los! Auf geht´s!"
Na und dann muss er eben aufräumen, obwohl er dazu gerade überhaupt keine Lust hat. Und genau das meint Knobi mit dem Bestimmen. Immer muss alles so gemacht werden, wie die Großen das wollen. Wie die meisten Kinder findet Knobi die Schule manchmal doof und manchmal gut. Meistens findet er sie aber doof, weil da auch die Lehrerin immer bestimmt. Immer! Von der ersten bis zur letzten Minute. Das findet Knobi einfach ungerecht. Er darf nicht einfach mal bestimmen: "So, und jetzt legt ihr alle eure Stifte hin, jetzt geh‘n wir raus spielen!"Nee, nee, das geht natürlich nicht. Im Kindergarten war es die Kindergärtnerin, die bestimmen durfte. In der Schule ist es nun Frau Schuster, die Lehrerin, und zu Hause sind und bleiben es natürlich immer die Eltern und die Schwestern. Wenn er sich darüber beschwert, sagt seine Mutter: "Aber Knobi, du bist doch noch so klein.
Jemand muss doch bestimmen. Bestimmen heißt doch auch für einen sorgen. Und wir sorgen für dich. Wenn du später groß bist, kannst du selbst bestimmen."Irgendwie sieht das Knobi auch ein, aber es dauert noch so schrecklich lange, bis er groß ist. Manchmal ist es aber auch richtig lustig zu Hause. Wenn seine Mutter gute Laune hat, kommt es vor, dass sie beim Essen Grimassen schneidet und ihr Gesicht wie ein ekelhaftes Ungeheuer verzieht. Da ist dem Knobi schon manches Mal das Essen aus dem Mund gefallen, vor lauter Lachen. Das findet er dann natürlich super. Oder seine Mutter fängt auf einmal an, in einer komischen Sprache zu sprechen: "Knaba, gabst da mar mal dan Zackar?"
Und wenn er das dann nicht gleich verstanden hat, fängt sie an, im Spaß zu schimpfen: "Varstahst da dann nacht? Da Dammkapf! Dan Zackar sallst da mar gaban, dan Zackar!" Dabei zeigt sie wild mit ihren Fingern auf den Zucker. Klar, dann versteht Knobi, was Mutter will. Doch dann muss er so doll lachen, dass er nur ganz wackelig den Zucker seiner Mutter reichen und ganz undeutlich ‚battaschan‘ sagen kann. So findet es Knobi in seinem Leben mal gut und mal schlecht. Mal beklagt er sich, mal freut er sich. Ja, Knobi wäre eigentlich ein ganz gewöhnlicher Junge, wenn da nicht diese Holzklötze wären......
Knobi", ruft die Mutter aus der Küche. Es ist später Nachmittag. Knobi ist gerade im Schlafzimmer der Eltern und wühlt in der alten Kleidung seines Vaters herum. "Knobi", ruft die Mutter etwas lauter aus der Küche. "Knobi, komm doch mal!" "Was ist denn", murmelt Knobi und geht langsam in die Küche. Als sie ihn erblickt, lacht sie: "Ja, wie siehst du denn aus? Was hast du dir denn angezogen?" Knobi steht im Türrahmen und hat Vaters Sachen an: die grüne Kordhose, das blauweiß gestreifte Hemd und das dunkle karierte Sakko. Die Sachen sind ihm natürlich viel zu groß, alles schlackert an ihm herum. "Mama, wann kriege ich denn mal so ein Sakko?" fragt Knobi verträumt. Mit diesen Sachen fühlt er sich schon ein bißchen größer "Später, Knobi!" sagt die Mutter.
"Hör mal bitte zu. Du bist doch schon ein großer Junge. Gehst du mal in den Keller und holst die Wäsche aus der Maschine?"
Davor steht der Korb. Und sei so gut, trage den Wäschekorb mit der Wäsche dann noch auf den Dachboden, ja?""Was, ganz allein? Auf den Dachboden?" fragt Knobi ungläubig. "Ja, ich weiß", erwidert die Mutter, "du hast die Wäsche noch nie allein hinaufgetragen, aber ich finde, du bist doch schon so groß und könntest das ruhig mal probieren. Ich hänge die Wäsche dann später selbst auf." Doch da fängt Knobi gleich an zu protestieren: "So, so! Ich soll die Wäsche da hochtragen? Nehehehe, mit mir nicht. Ich bin doch nicht euer Diener!" "Knobi!" sagt die Mutter jetzt streng. "Ich will jetzt nicht mit dir diskutieren. Ich habe keine Zeit dazu. Ich koche gerade, wie du siehst, und der Papa hat sich Arbeit aus dem Büro mitgebracht. Du weißt, dass wir nachher noch weggehen wollen. Geh jetzt bitte und mach das!" "Ich sag‘s ja", knurrt Knobi, "ich sag‘s ja. Immer bestimmst du rum. Immer!"
Die Mutter hat für Knobi jetzt aber keine Zeit und sagt böse: "Ich warne dich Knobi, du machst das jetzt und zwar sofort, sonst erlebst du was! Und ziehe gefälligst die Sachen wieder aus. Du weiß genau, dass sie zur Altkleidersammlung kommen. Ich habe keine Lust, diese Sachen ein zweites Mal zu waschen." "Ich möchte auch was geschenkt bekommen," mault Knobi. "Knobi!" ermahnt ihn die Mutter. Knobi zieht den Kopf ein und verschwindet aus der Küchentür. Na also, denkt er, da haben wir‘s ja wieder. Ich sag‘s ja. Immer dasselbe. Die bestimmen, und ich muss alles machen. Seufzend begibt er sich in Richtung Keller. Auf der Treppe hat er einige Schwierigkeiten, die Stufen hinabzusteigen. Immer wieder tritt er auf die viel zu langen Hosenbeine von Vaters Hose. Die hat er nämlich immer noch an.
m Keller ist es für ihn dann auch gar nicht so einfach, die Wäsche aus der Maschine zu holen. Immer wieder rutschen die Ärmel von Vaters Jacke herunter; er greift ständig in das Innere des Ärmels. "Verdammter Mist", flucht Knobi und fühlt sich dabei schon etwas besser. Fluchen tut er nämlich gern. Er kommt sich dabei immer groß vor. Die Großen fluchen ja auch immer. Irgendwie schafft er es aber. Die Wäsche liegt im Korb, und er versucht, ihn zu tragen. Auch das ist schwer; ständig schlackern irgendwelche Stofffetzen herum. Mühsam schleppt er den Korb die Treppe hinauf. Nach dem dritten Stockwerk kommt endlich die Treppe, die zum Dachboden führt. Alle Bewohner in Knobis Haus teilen sich den Boden. Jede Familie hat dort ihren Platz.
Einerseits um Wäsche aufzuhängen, andererseits um Sachen wegzustellen, die man im Moment in der Wohnung nicht mehr braucht, und die dort nur Platz wegnehmen würden. Viele Wäscheleinen sind kreuz und quer auf dem Dachboden gespannt, und überall steht Gerümpel herum. Knobi ist eigentlich sehr gern dort oben, und er beschwert sich immer, wenn Vater oder Mutter hinaufgehen, ohne ihn mitzunehmen. Denn auf dem Dachboden lässt es sich so wunderbar in alten Sachen herumwühlen, und das macht Knobi ganz besonders gern. Jedesmal entdeckt er etwas Neues: ComicHefte, Weihnachtsschmuck eine knorrige, alte Wurzel. Babyschuhe, eine Kindergeige, das Schaukelpferd von früher, einen großen Spiegel, einen Sack mit Duplosteinen, alte Ordner und Hefte und vieles andere mehr.
Alles das liegt allein schon auf dem Platz von Breuers, Knobis Familie. Ganz besonders großen Spaß bereitet aber Knobi das Herumschnüffeln auf anderen Plätzen. Seine Eltern finden das weniger gut und sagen jedesmal, wenn er sich dahin schleichen will, dass er auf keinen Fall etwas anfassen dürfe. Aber wie soll er da jemals einen Schatz oder sonst etwas Wertvolles finden können! denkt sich Knobi. Und er ist überzeugt davon, dass auf dem Dachboden Schätze liegen können. Die Frage ist nur, wo? Nun, Knobi hat es also geschafft. Er steht auf dem Dachboden mit zu langer Hose, zu großem Hemd und Sakko und stellt den Wäschekorb ab. Jetzt ist er gar nicht mehr sauer auf seine Mutter, die ihn immer rumschickt. Jetzt ist es eigentlich ganz schön, allein hier oben zu sein. Bei der alten Frau Masswe war er noch nie gucken.
Die alte Masswe wohnt auch im Parterre wie Knobi, nur auf der linken Seite. Sie wohnt dort ganz allein mit ihrem Wellensittich, der Peter heißt. Zu dem spricht sie immer: "Peter, Peter, du, du, du!" An ihrem Fenster zur Straßenseite hin hat sie einen Spiegel befestigt. So kann sie darin genau beobachten, wer im Haus aus und ein geht, ohne selbst am Fenster gesehen zu werden. Die alte Masswe kann in die Zukunft sehen. Sagt sie jedenfalls. Sie hat Knobis Eltern einmal die Karten gelegt. Knobi war dabei. Sie verteilte ganz gewöhnliche Spielkarten auf dem Tisch, guckte die Karten an, dann die Mutter, dann den Vater und schließlich fing sie an zu erzählen. Währenddessen schaute sie immer wieder abwechselnd auf Knobis Eltern und die Karten.
Sie erzählte von einem großen Ereignis, das kommen würde, von einer Krankheit, von Geld, Glück und langem Leben. Knobi verstand das alles nicht so richtig. Zu Hause haben Knobis Eltern dann über die alte Masswe geschmunzelt: "Die alte Masswe wird ja immer wunderlicher", sagte der Vater. "So ein Unsinn. Allgemeines trifft ja irgendwie immer zu." Trotzdem ist die alte Masswe für Knobi seitdem sehr geheimnisvoll. "Du bist gut!" sagte sie einmal zu Knobi. "Du bist ein guter Mensch. Das erkenne ich an deinen Nasenknochen." Ja, sie meint, sie kann bei jedem im Gesicht erkennen, ob er gut oder böse ist.Knobi steht auf dem Dachboden und geht langsam auf den Platz der alten Masswe zu. Vielleicht ist sie eine Hexe? Vielleicht eine Zauberin? Unheimliche Gedanken schwirren in Knobis Kopf herum.
Auch dieser Platz liegt fast im Dunkeln. Als Knobi davor steht, sieht er zuerst eine uralte Nähmaschine mit Trittbrett. Die schiebt er vorsichtig zur Seite, um an die hinteren Dinge heranzukommen. Viele Sachen liegen da durcheinander: ein alter Kochtopf ein großer Strohhut, ein Damenstiefel, ein Schuhkarton voll leerer Garnrollen, ein Karton voll Kleiderbügel, eine geschnitzte Holzfigur, bei der das linke Bein abgebrochen ist und ein großes Gemälde von einer Frau, die genau denselben Strohhut aufhat, der hier liegt. Das ist sicher die alte Masswe, denkt Knobi, früher als sie noch jung war, also die junge Masswe. Und während er das Bild so von allen Seiten betrachtet, entdeckt er dahinter plötzlich ein kleines, verschnürtes Paket. Knobis Neugier wird immer größer. Er schaut sich um. Ziemlich dunkel ist es hier.
Er überlegt: Ob ich das Paket aufmachen kann? Knobi überlegt nicht lange, da versuchen seine zitternden Finger schon den Knoten des Pakets zu öffnen. Er kann nichts dagegen tun, seine Finger binden rasch das Paket auf, und bevor er sich darüber klar wird, liegt es geöffnet vor ihm. Was ist denn das? - fragt sich Knobi. Ganz normale Holzklötze! Normal? Nein, doch nicht so normal. Jeweils ein kleiner Gummi ist über eine Seite der Klötze gespannt. Knobi nimmt einen Klotz in die Hand, zupft an dem Gummi, lässt ihn an dem Gummi hängen und um sein Handgelenk kreisen. Was bedeutet das nur? Wieso waren die so doll verpackt? grübelt er. Wozu sollen die gut sein? Er weiß es nicht. Enttäuscht will Knobi die Klötze wieder zurücklegen, da kommt ihm plötzlich eine Idee: Ich könnte mich doch damit etwas größer machen.
Und schon streift er sich - dschschschschd - den Gummi des einen Klotzes über den einen Fuß und- dschschschschd- den Gummi des anderen über den zweiten Fuß. Knobi steht nun auf den Holzklötzen, die fest an seinen Füßen haften. Ha, denkt er, jetzt bin ich etwas größer, und er marschiert stolz umher. Aber was ist das? Knobi guckt an sich selbst herunter. Er sieht seine Hände! Die Ärmel von Vaters Sakko sind gar nicht mehr zu lang! Die Hose ist ihm gar nicht mehr zu groß! Auch das Hemd passt! Alles passt wie angegossen! Knobi stutzt. Wie ist denn das nur möglich? Er geht zum großen Spiegel, der auf Breuers Platz steht und schaut sich darin an. Was er sieht, ist nicht Knobi. Nein, es ist sein Vater!
Vater hier auf dem Dachboden? fährt es Knobi sofort durch den Kopf, und er dreht sich dabei erschrocken um. Nein, sein Vater ist nicht hier, Knobi sieht nichts als Wäscheleinen und Gerümpel. Wieder richtet er seinen Blick zum Spiegel hin. Da sieht er wieder Vater; und er bat genau die Sachen an, die Knobi vorhin angezogen hat. Vorsichtig wackelt er mit dem Kopf. Und siehe da: Wie er fast vermutete, sein Vater wackelt im Spiegel auch mit dem Kopf. Es gibt keinen Zweifel mehr, weiß Knobi, er ist Vater! Er ist es nicht wirklich, klar, aber er sieht genau so aus. Selbst sein Gesicht hat sich in Vaters Gesicht verwandelt, stellt er fest. Wie von Sinnen hüpft er vor dem Spiegel herum und fragt sich, ob er das alles nur träumt oder ob er vielleicht verrückt geworden ist. Nachdem er so eine Weile herumgehüpft ist und schließlich begriffen hat, dass es kein Traum ist, streift er sich die Holzklötze von den Füßen ab und guckt wieder in den Spiegel:
Sofort steht Knobi wieder da. Mit zu langer Kordhose, zu großem Hemd und Vaters Sakko. Seine Hände sind nicht mehr zu sehen, sie sind verschwunden unter den zu langen Armen. Nun streift sich Knobi die Klötze wieder über, - dschschschschd -‚ und - Vaters Sachen passen wieder, im Spiegel steht wieder Vater!
Oben auf dem Dachboden vor dem Spiegel schaut Knobi immer wieder an sich selbst herunter und dann in den Spiegel. Er kann es immer noch nicht fassen: Er sieht aus wie sein Vater. Knobi ist kein dummer Junge. Er geht zwar nicht immer gern zur Schule, aber das heißt ja nicht, dass er dumm ist. Nein, Knobi ist nicht dumm. Er weiß sofort: Mit den Holzklötzen wird er eine Menge Spaß haben! Er wusste ja schon immer, dass die alte Masswe keine gewöhnliche Frau ist. Nur sie kann so etwas Wunderbares auf dem Dachboden versteckt halten. Jetzt versteht Knobi das auch mit dem großen Ereignis, das die alte Masswe damals vorhergesehen hatte. Das hier sollte das große Ereignis sein, der Fund der Holzklötze!
Sie wird sicher nichts dagegen haben, dass er, Knobi, dem dieses große Ereignis ja angekündigt wurde, ein Paar Klötze behält. Knobi geht zum Platz der alten Masswe zurück. Er schnürt behutsam das Paket wieder zu, legt es vorsichtig hinter das große Bild und schiebt die Nähmaschine wieder an ihren Platz zurück. Er prüft die Klötze an seinen Füßen: Sitzen sie auch noch gut? Dann macht er sich auf den Weg zur Mutter in die Wohnung zurück. Doch da bekommt er einen Schreck. Was ist jetzt mit Papa? fragt er sich. Gibt es nun zwei Väter? Oder ist Papa vielleicht Knobi? Oder was. Verunsichert schleicht er sich zunächst an der Küche vorbei, um einen Blick durch das Schlüsselloch des Schlafzimmers zu werfen, in dem Vater arbeitet. Mutter hat ja vorhin in der Küche gesagt, dass er schon zu Hause sei, sich aber Arbeit mitgebracht habe.
Ja, da sitzt Vater am Schreibtisch mit dem Rücken zur Tür. Knobi hat ihn genau im Blickfeld. Er arbeitet wohl immer noch. Aber Moment mal, schreibt er denn wirklich? Knobi muss sein linkes Auge fest zuhalten, damit er besser sieht. Sitzt Vater nicht etwas zusammengesunken da? Und, wenn er länger hinguckt, hebt und senkt sich nicht ganz gleichmäßig der Oberkörper? Ist Papa etwa eingeschlafen? wundert sich Knobi. Das macht er doch sonst nie um diese Zeit! Vor Aufregung hält Knobi den Atem an. Sein Herz pocht wie wild im Hals. Ganz vorsichtig klopft er an die Tür und guckt weiter durch‘s Schlüsselloch. Vater rührt sich nicht. Seltsam, denkt Knobi und klopft lauter. Vater rührt sich immer noch nicht. Nun ahnt Knobi etwas und bekommt auf einmal Mut: Er öffnet die Tür, schleicht hinein und schließt sie sofort wieder hinter sich.
Vater sitzt unverändert am Schreibtisch. Knobi nähert sich ihm vorsichtig von hinten und vernimmt ein süßes Schnarchen. Langsam fängt auch Knobi wieder an zu atmen und wird ruhiger. Nun will er es wissen und ruft: "Papa, Papa!" Nichts geschieht, Vater schläft weiter. Knobi rüttelt ihn fest mit beiden Händen und ruft noch einmal: "Papa, Papa, hallo!" Doch Vater schläft weiter, er lässt sich durch nichts wecken. Da wird Knobi noch mutiger: Während er Vater nicht aus den Augen lässt, zieht er vorsichtig einen Holzklotz vom Fuß. Im selben Moment beginnt Vater sich plötzlich zu regen; er dehnt sich und streckt die Arme weit nach hinten hoch. Schnell streift sich Knobi wieder den Klotz über den Fuß. Und siehe da: Vater ist wieder in tiefen Schlaf gesunken! Nun hält Knobi nichts mehr zurück, sich ganz und gar über seine Holzklötze zu freuen.
Und wie er sich freut! Er tanzt von einem Klotz auf den anderen und strahlt über das ganze Gesicht. Jetzt kann ja nichts mehr schiefgehen, denkt Knobi und tanzt unbekümmert aus dem Zimmer wieder hinaus. In der Küche lehnt er sich gemütlich an den Rahmen. Mutter steht immer noch am Herd und rührt hektisch mit dem Kochlöffel im Topf herum. Da blickt sie kurz auf und schaut zur Tür: "Ach, Frank", seufzt sie, den Blick wieder zum Kochtopf gerichtet, "wieso hast du wieder deine alten Sachen angezogen? Du weißt doch, die kommen zur Altkleidersammlung. Du bist ja schlimmer als Knobi, der hatte sie vorhin auch schon an."Knobi will etwas sagen, doch da spricht Mutter schon weiter: "Bist du schon mit deiner Arbeit fertig? Ich dachte, du wolltest arbeiten, bis wir zu Abend essen?
Es dauert mindestens noch eine halbe Stunde, bis es soweit ist." Jetzt kommt endlich Knobi zu Wort: "Ich muss noch mal kurz einkaufen gehen.""Ist ja gut," erwidert Mutter. "Ach Frank, bringst du mir noch ein Bund Petersilie mit, wenn du gehst?" "Okay", sagt Knobi, "mach‘ ich", und geht dabei zum Schrank in der Küche, und holt Vaters Portmonee. Ein tolles Portmonee, findet Knobi, so groß, so schwer und so viel Geld drin! Jetzt aber nichts wie weg, sagt er sich und verlässt die Wohnung. Auf der Straße fühlt er sich großartig. Nachbarn begegnen ihm und grüßen höflich: "Guten Abend, Herr Breuer." Herr Breuer, Herr Breuer, ich bin Herr Breuer, jubelt Knobi.
Im Supermarkt geht er mit dem Einkaufswagen zielstrebig zum Regal mit Süßigkeiten und läd ein: drei Tafeln Schokolade, drei Tüten Fruchtgummi, zwei Päckchen von dem Kaugummi, mit dem man große Blasen machen kann, zwei Tüten Lakritze, zwei Tafeln Schokopuffreis und drei Tüten Bonbons. Das langt, denkt Knobi. Nun will Knobi zur Kasse. Zum Glück fällt ihm noch vorher die Petersilie ein. Er geht zum Obst und nimmt sich dort ein Bund. An der Kasse richtet sich sein Blick auf das Regal mit den Zeitschriften.Unten liegen immer so herrliche Comic-Hefte. Die kauft Mutter nie, auch wenn Knobi noch so sehr darum bettelt.
Heute aber landen gleich zwei davon im Einkaufswagen. Auch das gut verpackte, bei dem noch Spielzeug mit dabei ist, wird heute gekauft.
Knobi bezahlt lässig mit einem Hundertmarkschein, nimmt das Wechselgeld entgegen, lässt sich eine Tüte geben und macht sich auf den Nachhauseweg.
"Dideldideldum, der Knobi ist nicht dumm, Dideldideldein und auch nicht immer klein,"
feixt Knobi. Er fühlt sich großartig. Doch plötzlich trübt ein Gedanke Knobis gute Laune: Was ist, wenn Vater mittlerweile aufgewacht ist? Vor der Wohnungstür bemerkt er, dass die Haustür nur angelehnt ist. Ein Glück! Mutter ist also im Moment nicht in der Wohnung, sondern hängt gerade die Wäsche auf dem Dachboden auf. Klar, da lässt sie immer die Wohnungstür angelehnt. Knobi atmet etwas erleichtert auf.
Es dauert mindestens noch eine halbe Stunde, bis es soweit ist." Jetzt kommt endlich Knobi zu Wort: "Ich muss noch mal kurz einkaufen gehen.""Ist ja gut," erwidert Mutter. "Ach Frank, bringst du mir noch ein Bund Petersilie mit, wenn du gehst?" "Okay", sagt Knobi, "mach‘ ich", und geht dabei zum Schrank in der Küche, und holt Vaters Portmonee. Ein tolles Portmonee, findet Knobi, so groß, so schwer und so viel Geld drin! Jetzt aber nichts wie weg, sagt er sich und verlässt die Wohnung. Auf der Straße fühlt er sich großartig. Nachbarn begegnen ihm und grüßen höflich: "Guten Abend, Herr Breuer." Herr Breuer, Herr Breuer, ich bin Herr Breuer, jubelt Knobi.
Knobi verschwindet im Nähzimmer, zieht die Holzklötze ab, zieht Jacke, Hemd und Hose aus und schlüpft wieder in die eigenen Sachen, die neben dem Stapel der ausrangierten Wäsche liegen. Die Holzklötze versteckt er in einem Karton auf dem Kleiderschrank. Zwei Minuten später kommt Vater, korrekt gekleidet und sichtlich guter Laune (er hat anscheinend gut geschlafen) aus dem Schlafzimmer und geht auf Knobi zu: "Na, mein Junge, alles klar? Bist du auch lieb, wenn Mama und ich heute Abend weggehen?" Noch bevor Knobi antworten kann, ruft Mutter: "Essen!"Kurz darauf sitzen drei gutgelaunte Breuers am Abendbrottisch. Alle sind zufrieden.
Mutter Breuer, weil sie so einen fleißigen und lieben Sohn hat, Vater Breuer, weil er so ausgesprochen gut geschlafen hat und Knobi Breuer, weil er einen tollen Abend vor sich hat: Mit Fernsehen, Comic-Heften und vielen, vielen Süßigkeiten.
Die Wohnung, in der die Familie Breuer wohnt, ist ziemlich groß. Knobi hat ein eigenes Zimmer. Die beiden Schwestern allerdings teilen sich ein Zimmer. Aber Elli, die Älteste, ist gar nicht mehr so oft zu Hause. Sie übernachtet oft bei ihrem Freund. Und Sofie, die jüngere, freut sich dann immer, dass sie ein Zimmer für sich allein hat. Elli ist 18 und Sofie 16 Jahre alt. Knobi versteht das nicht. Wie kann Sofie das nur gut finden, alleine im Zimmer zu schlafen? Sie macht sogar von sich aus die Tür abends zu. Sagt sie jedenfalls. Knobi kann das nicht nachprüfen, denn er muss immer vor Sofie ins Bett. Immer! Und wenn Knobi ins Bett muss, will Sofie sowieso nichts von ihm wissen. Niemand will von Knobi etwas wissen, wenn er ins Bett muss. Das findet er ganz schön gemein.
Jeden Abend geht es in dem Moment los, wenn Mutter ihn zum ersten Mal auffordert, dass er sich die Zähne putzen soll. Wenn sie das sagt, merkt Knobi sofort, aha, jetzt wollen sie wieder nichts mehr von mir wissen. Jetzt ist es wieder so weit. Irgendwie merkt er das am Ton. Der ist dann so streng. Naja, und wenn Mutter ihm dann zum fünften Mal sagt, dass er sich nun endlich gefälligst mal die Zähne putzen soll, ist das dann ohne Zweifel sehr streng gesagt. Manchmal schreit sie dann auch. Und das findet Knobi dann echt ganz total doof. Er kann ja schließlich nichts dafür, dass er es jetzt gerade in diesem Moment so schön findet, die Taschenlampe auseinanderzunehmen. "Knobi! Morgen hast du den ganzen Tag Zeit dazu", sagt Mutter dann immer. "Warum fängst du immer gerade dann an, wenn du schlafen sollst!"
"Ich finde es aber gerade jetzt so schön; morgen macht es mir sicher keinen Spaß mehr", versichert Knobi dann stets. Ist doch auch so! Abends macht ihm das Spielen am meisten Spaß. Warum kann er denn nicht einfach noch ein bisschen aufbleiben, he? Warum kann er nicht einfach aufbleiben, so lange er will? Wieso geht das nicht? Wer hat denn das erfunden, dass Kinder früher ins Bett müssen als Erwachsene? "Das ist eben so", sagt Mutter gewöhnlich auf solche Fragen, "Kinder sind noch klein, die müssen noch wachsen und brauchen deshalb mehr Schlaf." Das sind doch alles nur Ausreden, weiß Knobi; Mutter und Vater, die wollen doch nur ihre Ruhe. Die müssten abends selbst ins Bett, wenn sie so genervt sind. Und was machen sie stattdessen? Sie machen es sich richtig gemütlich und glotzen sicherlich Fernsehen oder so.
Ja, ja, die haben es richtig gut. Und Knobi liegt in seinem Bett und ist einsam. Niemand will von ihm etwas wissen. So ist es auch wieder heute, am Samstagabend. Der Tag, an dem Knobi sein Vater war, ist schon lange vorbei. Aber vergessen kann er den Abend nicht. Wenn er heute noch an die vielen Süßigkeiten denkt...! Alles hatte Knobi verputzt, nichts blieb übrig. Nur Bauchschmerzen plagten ihn dann in der Nacht, aber das ist schon längst vergessen. Knobi liegt in seinem Bett und ist traurig, weil er so einsam ist. Niemand hat mehr Zeit für ihn. Zwar hat Mutter ihm vorhin ein bisschen vorgelesen, aber danach war Schluss. "Jetzt ist Erwachsenenzeit", hat sie zu ihm gesagt, "die Kinderzeit ist jetzt zu Ende."
Typisch erwachsen, denkt Knobi, die lassen es sich jetzt gut gehen. Und ich? Dabei hat Knobi gerade jetzt so viele Fragen. Ob Mio es schafft, Ritter Kato zu besiegen? Und findet er auch wirklich Miramis wieder, sein weißes Pferd? Warum sagt Mios Vater immer ‚Mio, mein Mio‘, wenn er ihn anredet? (Aus ‚Mio, mein Mio‘ bekommt Knobi gerade vorgelesen.) Jetzt, wo Mutter meint, dass die Kinderzeit vorbei sei, jetzt, wo es in der Geschichte doch gerade so spannend ist, da wird Knobi allein gelassen. "Bestimmt Knobi, es geht gut aus. Das verspreche ich dir", hat Mutter versucht ihn zu trösten, "und nun gute Nacht." Ein Kuss und fertig. Gerade jetzt möchte Knobi seiner Mutter noch einen Kuss geben. Und noch einen. Und noch und noch einen. Er möchte ihre Hand halten, ganz fest, möchte sie auf seine Backe legen und ganz lange festhalten.
Er will nicht allein sein, nicht jetzt. Wie kann man das nur gut finden, wie Sofie, allein im Bett einzuschlafen. Ja, und Mama, die hat gut reden, die hat ja immer den Papa.
Überhaupt haben die Großen es viel besser. Die können alles so bestimmen, wie sie es wollen. Knobi liegt da und ist traurig. Traurig darüber, dass er noch so klein ist, und dass es noch sooo lange dauert, bis er endlich groß ist. Fast wollen ihm schon die Tränen kommen, da hält er sie zurück. Er hat eine Idee. Nein heute wird er nicht weinen. Heute nicht! Heute wird er sich einen Spaß erlauben und dabei all den Großen eine Lehre erteilen! Mit einem Satz springt Knobi aus dem Bett und zieht sich rasch an. Auf Zehenspitzen schleicht er sich zum Nähzimmer, zieht den Karton vom Kleiderschrank herunter, nimmt die Holzklötze heraus, steckt einen in die rechte Hosentasche, den anderen in die linke, nimmt sich im Flur den Hausschlüssel vom Schlüsselbrett und macht sich leise auf und davon.Er macht das Schloss von seinem Fahrrad ab und fährt los in Richtung Schule.
Bei der zweiten Kreuzung steigt er ab und schiebt sein Rad zu einem großen Schild, das oben an einer Stange hängt. Viele Wörter stehen darauf geschrieben, und daneben sind lauter Pfeile aufgemalt. Der Weg ist ganz schön weit. Doch dann kommt er an ein wirklich großes und hohes Haus . Knobi weiß sofort, hier ist er richtig. Ein großes Schild, dass er über dem großen Eingang dieses mächtigen Hauses lesen kann, bringt ihm letzte Gewissheit: FERNSEHANSTALT. Erst jetzt bemerkt Knobi, dass auf den Straßen ganz schön was los ist. Besonders hier herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. So etwas findet Knobi aufregend und interessant. Knobi könnte stundenlang zuschauen, hier ist alles so anders. Doch er weiß, dass er nicht soviel Zeit hat. Schließlich hat er ja noch etwas vor.
Also geht er zielstrebig zum Haupteingang. Das Fahrrad hat er bereits an einem Geländer angeschlossen. Im Gebäude steht er in einer großen Halle, in der sonst weiter gar nichts ist, außer den vielen Menschen, die kreuz und quer herumlaufen. Ach doch, da hinten entdeckt Knobi eine Art runde Bar, hinter der eine sehr feine Dame sitzt. Über ihr steht auf einer Blende EMPFANG geschrieben. Aha, denkt er, die feine Dame empfängt alle, die zum Fernsehen wollen. Knobi setzt eine mitleiderregende Miene auf und geht auf die Dame zu. An der Bar bleibt er stehen. "Na, junger Mann, was suchst du denn hier? Und das zu einer Stunde, zu der du doch schon ins Bett gehen müsstest," fragt die Dame freundlich. "Ach, das ist eine dumme Geschichte", erwidert Knobi mit einem unschuldigen Gesicht.
"Meine Mutter ist verreist, und ich bin in der Zwischenzeit, bis sie wieder da ist, bei ihrer Freundin. Und nun habe ich ausgerechnet heute den Schlüssel zu dieser Wohnung verloren und kann nicht hinein." "Das ist aber wirklich dumm", sagt die Dame besorgt, "und diese Freundin deiner Mutter, die arbeitet wohl hier beim Fernsehen?" "Ja", sagt Knobi, "sie malt die Leute vor der Kamera an." Da lacht die Dame: "Du meinst wohl, sie schminkt die Leute, bevor sie vor der Kamera stehen, ja?" "Ja, genau das meine ich", sagt Knobi. "Sie ist also Visagistin bei uns, diese Freundin," sagt die Dame nun eher zu sich selbst und schaut dabei auf eine Liste, die sie aus einer Schublade herausgeholt hat. "Wie heißt denn die Freundin? Es arbeiten gerade drei."
"Oh", sagt Knobi schnell, "ich weiß auch nicht, ich habe den Namen jetzt gerade vergessen, so was! Vor der Tür habe ich ihn noch gewusst." "Du bist sicher sehr aufgeregt", sagt die Dame," das ist doch klar, da kann so was schon passieren." Sie nimmt die Liste in die Hand und fragt: "Heißt sie Hanna Schulz?" Knobi schüttelt vorsichtshalber erst mal mit dem Kopf. "Gisela Knopf?" "Ja", ruft Knobi, "das ist sie. Gerade fällt es mir ein." "Siehst du, junger Mann, ich wusste doch, dass wir es herausbekommen. Ich werde sie herunterrufen", sagt die Dame freundlich und greift zum Telefon, das neben ihr steht. "Nein", schreit Knobi jetzt fast, "nein, bitte nicht, tun sie das nicht", fleht er. "Aber warum denn nicht?" fragt die Dame verdutzt.
"Weil, bitte, ehm, sie wird sicher böse sein", stammelt Knobi aufgeregt. "Sagen Sie mir doch nur, in welchem Stock sie arbeitet. Ich gehe selbst hin, damit ich Gisela so wenig wie möglich störe. Ach bitte, sagen Sie‘s mir doch! Ja?" Knobi versucht die größten, unschuldigen Augen zu machen, die es überhaupt gibt, und schaut damit die Empfangsdame an. "Na sowas, so schlimm kann deine Gisela doch gar nicht sein, so wie du hier Angst hast", sagt sie. "Also gut, pass auf. Du fährst mit dem Fahrstuhl in den 5.Stock. Oben gehst du den linken Gang ganz durch, bis zur letzten Tür. Da gehst du hinein und wirst deine Gisela finden. Und mach ja keine anderen Türen auf, verstanden? Sonst störst du Sendungen und kriegst Ärger.
Warte mal...", die Dame schaut auf ein anderes Blatt, "ja, in einer halben Stunde beginnt die Sendung ‚Familienratgeber mit Dr. Robin.‘ Da hat Frau Knopf gleich was zu tun. Beeil dich, damit du sie noch vorher triffst." "Danke", sagt Knobi und marschiert zum Fahrstuhl. Was hat sie gesagt, denkt Knobi, ‚Familienratgeber mit Dr. Robin‘? Das ist doch ganz bekannt. Na klar, Mama und Papa schauen sich das doch jede Woche an, und am nächsten Morgen sprechen sie oft davon, wie interessant und lehrreich die Sendung war. "Halt", ruft da noch mal die Empfangsdame. Knobi dreht sich um. "Wenn dich jemand fragt, was du hier willst, sag, Frau Binder hätte dich hochgeschickt, zu Frau Knopf . Frau Binder, das bin ich. Das geht dann schon klar." "Okay, vielen Dank", sagt Knobi und verschwindet im Fahrstuhl.
Die Fahrstuhltür schließt sich. Knobi sucht die Druckknöpfe. Oje, die sind ja ganz weit oben. Knobi seufzt. Da öffnet sich wieder die Tür, und ein großer Mann betritt den Fahrstuhl. Er schaut Knobi von oben herab an. Trotzdem fragt Knobi diesen Herrn mutig: "Ach, wären Sie wohl so nett und drückten für mich den 5. Stock? Mich schickt nämlich Frau Binder zu Frau Knopf" "Da brauche ich gar nicht extra für dich zu drücken, mein Kleiner, ich will nämlich selbst dorthin", sagt der Mann und drückt auf den Knopf mit der 5. Daraufhin setzt sich der Fahrstuhl in Bewegung. "Übrigens, mein Kleiner, sagt der Mann während der Fahrt," du kannst Frau Knopf sagen, Dr. Robin ist in 10 Minuten bei ihr." Knobi stutzt: "Sind Sie Dr. Robin?" "Ja, mein Kleiner", antwortet der Mann. "Das dachte ich mir doch gleich", lügt Knobi.
"Dr. Robin kennt doch jeder. Ich werde es Frau Kopf, ehm, Frau Knopf ausrichten." Kaum hat Knobi zu Ende gesprochen, sieht er, dass oben die 5 aufleuchtet. Der Fahrstuhl hält, und die Tür öffnet sich. Der Mann, der Dr. Robin ist, geht rechts hinaus und verschwindet in einer Tür, auf der WC geschrieben steht. Knobi hat es jetzt eilig. Schnell läuft er links den Gang entlang bis zur letzten Tür. Er klopft kurz an, und nachdem eine Frauenstimme hinter der Tür "Ja" gerufen hat, tritt er ein. Sicher ist das Frau Knopf, denkt Knobi, als er im Raum eine Frau erblickt, die vor einem Tisch steht und mit Unmengen von Puder, Cremes und Pinsel herumhantiert. "Sind Sie Frau Knopf?" fragt Knobi. "Ja", antwortet die Frau schnippisch. "Was willst du denn hier?" "Mich schickt Dr. Robin. Ich soll ihm etwas holen. Hat er so etwas wie einen Anzug oder so?"
"Natürlich hat er so etwas wie einen Anzug", antwortet Frau Knopf "hier im Nebenzimmer ist der Ankleideraum. Da hängt auch sein Anzug. Dr. Robin zieht sich gewöhnlich erst dort um, bevor er zu mir zum Schminken kommt. Ich warte bereits auf ihn." "Er kommt sofort, soll ich Ihnen sagen," sagt Knobi und geht zur Tür, die zum Ankleideraum führt, "in fünf Minuten ist er da." Knobi macht die Tür hinter sich zu. Er sieht nicht mehr Frau Knopfs erstauntes Gesicht, denn nun ist er im Ankleideraum. Schnell reißt er sich seine Kleider vom Leib und schlüpft in den Anzug, der gerade noch ordentlich auf einem Bügel hing. Aus den Hosentaschen seiner eigenen Hose wühlt er die Holzklötze hervor.
"Dr. Robin kennt doch jeder. Ich werde es Frau Kopf, ehm, Frau Knopf ausrichten." Kaum hat Knobi zu Ende gesprochen, sieht er, dass oben die 5 aufleuchtet. Der Fahrstuhl hält, und die Tür öffnet sich. Der Mann, der Dr. Robin ist, geht rechts hinaus und verschwindet in einer Tür, auf der WC geschrieben steht. Knobi hat es jetzt eilig. Schnell läuft er links den Gang entlang bis zur letzten Tür. Er klopft kurz an, und nachdem eine Frauenstimme hinter der Tür "Ja" gerufen hat, tritt er ein. Sicher ist das Frau Knopf, denkt Knobi, als er im Raum eine Frau erblickt, die vor einem Tisch steht und mit Unmengen von Puder, Cremes und Pinsel herumhantiert. "Sind Sie Frau Knopf?" fragt Knobi. "Ja", antwortet die Frau schnippisch. "Was willst du denn hier?" "Mich schickt Dr. Robin. Ich soll ihm etwas holen. Hat er so etwas wie einen Anzug oder so?"
"Natürlich hat er so etwas wie einen Anzug", antwortet Frau Knopf "hier im Nebenzimmer ist der Ankleideraum. Da hängt auch sein Anzug. Dr. Robin zieht sich gewöhnlich erst dort um, bevor er zu mir zum Schminken kommt. Ich warte bereits auf ihn." "Er kommt sofort, soll ich Ihnen sagen," sagt Knobi und geht zur Tür, die zum Ankleideraum führt, "in fünf Minuten ist er da." Knobi macht die Tür hinter sich zu. Er sieht nicht mehr Frau Knopfs erstauntes Gesicht, denn nun ist er im Ankleideraum. Schnell reißt er sich seine Kleider vom Leib und schlüpft in den Anzug, der gerade noch ordentlich auf einem Bügel hing. Aus den Hosentaschen seiner eigenen Hose wühlt er die Holzklötze hervor.
Und schon streift er sich - dschschschschd - den Gummi des einen Klotzes über den einen Fuß und - dschschschschd - den Gummi des anderen über den zweiten Fuß. Knobi schaut hinab auf seine Hände - er sieht sie - die Jacke ist also nicht mehr zu groß, er ist Dr. Robin! Der echte Dr. Robin schläft jetzt auf dem Klo. Knobi geht wieder durch dieselbe Tür, durch die er gekommen ist und steht wieder im Schminkzimmer von Frau Gisela Knopf. "Hallo, Dr. Robin, da sind Sie ja", sagt Frau Knopf freundlich. "Ja, da bin ich", antwortet Knobi. "Nun, es wurde höchste Zeit", sagt Frau Knopf "Kommen Sie, setzen Sie sich her zum Pudern." Knobi setzt sich auf den ihm zugewiesenen Stuhl, und Frau Knopf beginnt, mit einem dicken Pinsel auf seinem Gesicht herumzupudern.
Das kitzelt ganz schön, aber Knobi hält es aus wie ein Indianer und lässt alles über sich ergehen. "Schön, dass Sie heute über Karies sprechen werden", fängt Frau Knopf an zu plaudern. "Stellen Sie sich vor, meine Nichte ist 5 Jahre alt und hat schon Karies." Da ruft eine Stimme aus einem anderen Zimmer: "Dr. Robin, kommen Sie, wir müssen die Kameras einstellen." Knobi folgt dem Mann in der Tür, der ihn zu einem hohen Tisch im Nachbarzimmer führt. "So"‘ sagt der Mann, "hier ist Ihr Platz, Sie stehen genau hinter diesem Tisch. Stellen Sie sich schon mal hin. Sie haben noch genau fünf Minuten Zeit, dann gehen wir auf Sendung. Achten Sie auf die rote Lampe: Wenn sie brennt, wird gefilmt. Aber das wissen Sie ja alles schon, was sage ich da", sagt er fast wie zu sich selbst.
Doch für Knobi ist das Gesagte die Rettung. Er wusste bis jetzt ja überhaupt nicht, wie das im Fernsehen so vor sich geht. Er blickt sich um, viele Scheinwerfer und drei Kameras sind auf ihn gerichtet. Eine rote Lampe hängt an der Decke. Aha, denkt Knobi, sobald diese rote Lampe leuchtet, werde ich gefilmt; dann können mich alle auf dem Bildschirm sehen, die gerade fernsehen. Ob Vater und Mutter jetzt auch Dr. Robin sehen wollen? Bestimmt, denkt Knobi, und damit hat er auch recht. Zu Hause sitzen Knobis Eltern ganz gespannt vorm Fernseher. Nur Elli und Sofie sind wieder mal bei Freunden, aber auch dort ist der Apparat eingeschaltet. "Knobi schläft schon", sagt gerade Mutter zu Vater. "Heute hat er ja keinen Mucks von sich gegeben.""Der war wohl ganz schön müde", sagt Vater und schenkt sich dabei ein Bier in sein Glas ein.
"Psssst", fährt Mutter den Vater an, "sei still jetzt, der Ratgeber beginnt."In diesem Moment geht bei Knobi im Studio die rote Lampe an. Er ist nicht aufgeregt, nein, keine Spur."Guten Abend, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, guten Abend, Herr und Frau Breuer. Ich begrüße Sie zur heutigen Sendung ‚Familienratgeber‘ "‚ fängt er an zu sprechen."Aus einem besonderen Anlass möchte ich heute nicht, wie geplant, über Karies sprechen, sondern über das Wertvollste, was wir haben, nämlich über unsere Kinder! Ja, Sie haben richtig gehört, über Kinder soll es heute einmal gehen, und ich bitte Sie und besonders Sie, Herr und Frau Breuer, ganz genau aufzupassen."Knobis Eltern sitzen vor dem Fernseher wie Steinfiguren. Sie blicken sich nur fragend an, was soviel heißen soll wie, meint der Dr. Robin etwa uns?
"Ja, genau Sie meine ich, Herr und Frau Breuer", redet Knobi weiter. "Ich frage Sie: Wann haben Sie eigentlich noch Zeit für Ihr Kind? Jeden Abend liegt es abgeschoben und abseits von der Familie irgendwo im Dunkeln. Ich muss wirklich mit Ihnen schimpfen, Herr und Frau Breuer! So etwas tut man nicht!"Knobis Eltern trauen ihren Augen und Ohren nicht. Vor ihnen ist Dr. Robin, der berühmte Dr. Robin, im Bildschirm und redet mit ihnen, ganz persönlich. Sie schauen sich wieder an. Wie ist das möglich? Kein Zweifel, sie sind tatsächlich gemeint. "Bleiben Sie ruhig sitzen", tönt Knobi weiter in die Kamera. "Heute abend brauchen Sie nicht mehr nach Ihrem Kind zu schauen, es schläft sicher ganz fest. Aber ich verordne für alle Familien, und besonders für Familie Breuer für morgen einen ‚Tag des Kindes‘! Das heißt, dass morgen die Kinder bestimmen dürfen.
Denn das muss auch mal sein. Wie oft beklagen sich Ihre Kinder, und Sie nehmen sie einfach nicht ernst! Morgen aber wird alles anders sein.
Morgen haben die Kinder das Sagen: Sie dürfen bestimmen ,wann sie aufstehen was es zu essen gibt und was und wie lange sie spielen. Und was ganz wichtig ist, die Kinder dürfen morgen bestimmen, wann sie ins Bett gehen. Sicher wird das Ihrer ganzen Familie gut tun. Und ich bitte auch ganz besonders Sie, Herr und Frau Breuer, sich an diesen Tag zu halten. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend und sage auf Wiedersehen bis zum nächsten ‚Familienratgeber‘ in einer Woche." Jetzt herrscht bei Knobis Eltern großes Schweigen. Ihnen hat es die Sprache verschlagen. Ihr Gesicht ist ein einziges Fragezeichen. Morgen soll ein Tag des Kindes sein? Haben sie sich eben auch nicht verhört? geht durch ihre Köpfe. "Was meinst du", versucht Vater vorsichtig zu sagen.
"Was soll ich schon meinen ‚ entgegnet Mutter und hüllt sich weiter in Schweigen. Nach einer langen Pause sagt sie schließlich: "Dr. Robin hat zu uns gesprochen, ich kann es fast nicht glauben, aber es ist wahr. Er hat doch sonst immer so vernünftige Ratschläge. Das heute scheint mir sehr, sehr merkwürdig." "S..s..sollen wir uns an den Tag des Kindes halten?" fragt Vater immer noch total verunsichert. "Vielleicht sollten wir es wirklich einmal ausprobieren. Sieh mal, in einem hat Dr. Robin ja vollkommen recht: Es ist doch wahr, dass wir sehr wenig Zeit für Knobi haben. Darunter leidet er bestimmt", sagt Mutter etwas traurig. "Du hast recht", sagt Vater, "und eigentlich hätten wir auch von selbst mal drauf kommen können, einen Tag des Kindes einzurichten.
Also, morgen darf Knobi bestimmen!" Während Knobis Eltern noch weiter über den ‚Tag des Kindes‘ reden, sitzt Knobi schon wieder auf seinem Fahrrad und radelt vergnügt nach Hause. Nach seiner Ansprache als Dr. Robin hatte er sich in Windeseile wieder umgezogen und die Klötze von seinen Füßen abgestreift. Er eilte auf der Treppe hinab, denn er wollte auf keinen Fall angesprochen werden.
"Dideldideldum, der Knobi ist nicht dumm, Dideldideldein und auch nicht immer klein,"
singt Knobi vergnügt auf seinem Fahrrad. Er singt und fühlt sich großartig.
Zu Hause schleicht er sich in die Wohnung. Aus dem Wohnzimmer hört er Vater und Mutter, wie sie immer noch reden. Bestimmt über den ‚Tag des Kindes‘, denkt Knobi und grinst. "Ja, einmal können wir ihm ja die Freude machen", kann er noch aufschnappen, bevor er in seinem Zimmer verschwindet. Im Bett kommt über seine Lippen gerade noch: "Dann ist ja alles... ‚Bestens‘ will Knobi noch sagen, doch da ist er schon eingeschlafen.
War das ein schöner Tag, erinnert sich Knobi, ach, wie schön ich es doch damals hatte! Damals als bei uns der ‚Tag des Kindes‘ war.Knobi sitzt in seinem Zimmer auf dem Fußboden zwischen all seinen Sachen und denkt an diesen schönen Tag zurück. Der ist schon lange vorbei, und eigentlich geht es ihm heute gar nicht so gut.Mutter hat ihn wieder mal mit Pauken und Trompeten in sein Zimmer gebracht. "So, und hier bleibst du, bis es Abendessen gibt, verstanden?" hat sie gesagt. Nein, nicht gesagt, sondern geschrien hat sie es. Und als die Tür zu war, rief sie noch: "Jetzt hast du genug Zeit, um über deine Dummheit nachzudenken."
Dabei war es doch überhaupt gar keine Dummheit! Er wollte doch nur zu einem Geheimversteck kommen. Seine Holzklötze müssen ja irgendwo aufbewahrt werden. Und der Karton auf dem Kleiderschrank ist nicht sicher genug. Nee, nee, denn wenn Mutter den mal zufällig braucht .... nee! Also machte sich Knobi an die Arbeit, mit Hammer und Schraubenzieher ein Loch in die Wand des Nähzimmers zu hauen. Natürlich hatte Knobi sich die Stelle genau ausgesucht: genau über der Kommode, wo das Bild mit der Frau hängt, die einen riesigen Blumenstrauß auf dem Arm hält. Niemand wird auf die Idee kommen hinter das Bild zu schauen, niemand wird vermuten, dass dahinter ein Geheimversteck ist, dachte Knobi. Das Loch sollte nur so groß werden, dass die Klötze hineinpassten.
Knobi war schon den dritten Tag an der Arbeit, schließlich hatte er nur Zeit dazu, wenn niemand zu Hause war. Es war ja geheim! Alles musste er jedesmal hinterher sehr sauber machen, damit keiner etwas merkte. Knobi war gerade so schön beim Hauen, da hörte er plötzlich die Wohnungstür ins Schloss fallen. Ihm blieb kaum Zeit, irgend etwas zu verstecken, da stand schon Mutter in der Tür. Na, und seitdem sitzt er nun in seinem Zimmer und soll nachdenken. Ja, dieser ‚Tag des Kindes‘ war schon eine feine Sache. Wie waren sie alle lieb zu ihm gewesen! Seine Eltern hatten sich an diesem Tag viel Zeit genommen, ‚um es ihrem Liebling den ganzen Tag recht zu machen‘, sagten sie. Am Morgen traute Knobi seinen Augen nicht, als er zur Uhr blickte: Es war erst 8 Uhr, und seine Eltern kamen schon ins Zimmer herein und fragten,
ob er vielleicht im Bett frühstücken wolle. Na sowas! Normalerweise soll Knobi sonntags immer schön leise im Zimmer allein spielen, bis die Eltern aufwachen. Na und ob er im Bett frühstücken wollte! Er bekam sogar ein weiches Ei. Dann spielten er und Mutter den ganzen Vormittag in seinem Zimmer mit seinen Spielsachen. Zum Mittagessen wünschte er sich Steak mit Erbsen und Pommes Frites, und er bekam es auch. Zum Nachtisch gab es Eis. Am Nachmittag gingen sie alle ins Kino, und er durfte dort sogar eine Cola trinken! Abends haben alle zusammen erst Mau-Mau und dann Schwarzer Peter gespielt. Den ganzen Abend! Dazu tranken sie Limo und aßen Chips. Es war wirklich sehr lustig, selbst Vater hat viel gelacht. Als Knobi ins Bett ging, war es draußen schon lange dunkel.
Und stell dir vor, es war nicht Knobi allein, dem es an diesem Tag so gut ging. Nein, viele Kinder hatten sich am ‚Tag des Kindes‘ erfreuen dürfen, denn viele Eltern hatten am Vorabend den Ratgeber mit Dr. Robin am Bildschirm verfolgt und fanden seinen Vorschlag so großartig, dass sie ihn ausprobierten. Doch das ist lange her. Knobi sitzt auf dem Fußboden und zieht, während er in Gedanken bei diesem schönen Tag ist, die Füllungen seiner Filzstifte heraus. Schon eine ganze Menge bunter Stäbchen liegt vor ihm. Heute ist kein schöner Tag, stellt er immer wieder fest. Wenn er hier bis zum Abendessen hocken soll, dann wird das sogar noch ein grässlicher Tag werden. Knobi steht auf und geht zum Fenster. Und ein neues Versteck für meine Klötze muss ich mir auch noch überlegen, denkt er. Die hat Knobi vorerst in seiner Fototasche versteckt.
Er steht am Fenster und schaut gelangweilt hinaus. Sein Blick fällt auf den Kran, der hinter den drei gegenüberliegenden Häusern steil herausragt. Knobi sieht nicht, was der Kran gerade hebt und senkt, dazu verdecken ihm diese Häuser die Sicht. Er sieht nur den Kranarm, wie dieser sich majestätisch von einer Seite zur anderen dreht und dann wieder zurück. Wo der Kranführer wohl sitzt? fragt sich Knobi. Der hat‘s gut! Sitzt da und regiert die Welt. Warum bin ich nur so klein? Wieso können immer nur die anderen so was Tolles machen? Bewundernd verfolgt Knobi die Bewegungen des Krans. Und da fasst er einen Entschluss: Nein er wird nicht warten, bis er groß ist, um alles auszuprobieren!
Nein, nicht er, nicht Knobi! Und er wird auch nicht hier hocken bis zum Abend und stundenlang nachdenken über eine Dummheit, die doch gar keine Dummheit ist. Er kann doch nichts dafür, dass Mutter so früh heimkam. Nein, er wird sich den Nachmittag nicht verderben lassen. Er wird jetzt gehen und es sich ordentlich lustig machen. Und Mutter wird nichts davon merken; bis zum Abendessen wird er wieder zurück sein. Knobi holt aus der Fototasche seine Holzklötze und steckt sich in jede Hosentasche einen. Er öffnet das Fenster, klettert vorsichtig hinaus und macht sich so unbemerkt aus dem Staube. Die große Straße entlang läuft er an drei Häuserblocks vorbei und geht dann rechts herum. Vor ihm liegt die große Baustelle, von der er nur die Kranspitze von seinem Zimmer aus sehen konnte. Jetzt sieht er alles; die ganze große Baustelle liegt vor seinen Augen.
Vor nicht langer Zeit stand hier noch ein altes, graues Fabrikgebäude. Knobi war einige Male durch ein kaputtes Fenster hineingekrochen und hatte sich alles von innen beguckt. Endlos konnte man darin herumlaufen. Alles Mögliche lag dort herum: ein Kanister, Blechlatten, große Metallstäbe und viele andere Dinge, von denen Knobi überhaupt keine Namen kennt. Er hatte dort auch einen dunkelgrünen Kuli gefunden, der noch richtig schrieb. Den hatte er natürlich mit nach Hause genommen. Allerdings weiß er nicht mehr, wo er ihn in seinem Zimmer hingelegt hat. Gern hätte er noch viel mehr von den Dingen, die in der alten Fabrik rumlagen, mit nach Hause genommen, aber vieles war einfach zu schwer zum Tragen.
Als Knobi das erste Mal in der alten Fabrik war, hätte er beinahe nicht mehr den Ausgang gefunden. Das war vielleicht schlimm! Na, und eines Tages wurde um die alte Fabrik herum ein großer Bretterzaun genagelt. Nicht viel später rissen Bauarbeiter die Fabrik ab. Mit Kränen, Baggern und Lastwagen bringen sie jetzt den Schutt weg. Nur an der hinteren Seite steht noch ein kleiner Teil der Fabrik. "Da kommt ein großes Hotel für Messegäste hin", hat Vater einmal gesagt. Knobi steht am Bauzaun und guckt auf den großen Kran. Der Lärm stört ihn nicht. Da entdeckt er den Kranführer: In seinem Führerhäuschen auf mittlerer Höhe sitzt er, zieht und drückt an Hebeln und gibt einem unten stehenden Bauarbeiter Handzeichen. Toll, denkt Knobi, einfach toll! Gerade hat der Kran eine schwere Eisenplatte auf einen Lastwagen heruntergelassen.
Der Bauarbeiter am Lastwagen brüllt zum Kranführer hoch: "He, Kalle, was‘n los?" "Ich mach Feierabend, mir ist nicht gut", ruft dieser zurück und steigt dabei langsam die Kranleiter hinunter.
Kurz darauf ist Kalle, der Kranführer, unten. "Ihr müsst die halbe Stunde noch ohne mich weitermachen", sagt er zu seinen Kumpels, "ich glaub, ich werd krank." "Alles klar, Kalle", sagt da der andere und klopft ihm dabei auf die Schulter, "wir schaffen dasschon ohne dich. Ist eh gleich Feierabend. Sieh zu, dass du morgen wieder fit bist."Knobi hat alles verstanden und beobachtet jetzt, wie Kalle zu einem kleinen Bauarbeiterhäuschen geht. Durch die Fensterscheibe sieht Knobi, wie er einen Schlüssel an ein Brett hängt, seinen Helm abnimmt, in ein Regal legt und wieder herauskommt. Nicht weit vom Bauzaun schließt er das Schloss eines Fahrrades auf, setzt sich auf das Fahrrad und fährt los. Mist, warum habe ich nur mein Rad nicht dabei, denkt Knobi und fängt an, hinterherzurennen.
Doch er kommt dabei gar nicht so sehr aus der Puste, denn Kalle fährt sehr langsam. Knobi passt jetzt auf, dass er von Kalle nicht bemerkt wird. Viele Straßen geht es lang, mal rechts herum, mal links herum, mal geradeaus, und Knobi bleibt immer hinter Kalle. Vor einem zweistöckigen Häuserblock hält Kalle an, blitzschnell verschwindet Knobi hinter der großen Mülltonne des Hauses. Als er aus seinem Versteck hervorlugt, ist das Fahrrad schon abgestellt und Kalle in der Eingangstür verschwunden. Knobi kommt wieder hervor und geht auch zum Eingang. Ihn interessieren jetzt die Namensschilder bei den Klingelknöpfen: "Busch, Neumann, Schmitt", murmelt Knobi vor sich hin und sucht weiter.
"Da, da steht‘s: Ida und Kalle Woll", liest Knobi erleichtert. Und noch erleichterter stellt er fest, dass dieser Kalle Woll im Parterre links wohnt, denn der Klingelknopf ist auch unten links. (Knobi ist ja nicht dumm!)Er geht ein Stückchen nach links auf die Rabatte vorm Haus. Über ihm sind drei Fenster: Die gehören zu Kalles Wohnung, weiß Knobi. Er überlegt. Dann geht er zur Mülltonne zurück, bei der er sich vorhin versteckt hat und holt den großen Karton, der wohl da liegt, weil er in die Tonne nicht hineinpasst. Den Karton legt er genau unter das größte Fenster, denn dieses ist leicht geöffnet. Er steigt auf den Karton und kann nun sehr gut ins Fenster hineingucken: Kalle ist gerade dabei, seine Schuhe auszuziehen. Nacheinander schmeißt er seine Schuhe von sich. "Und stör mich nicht, Ida. Ich brauch meinen Schlaf", ruft er zur Tür hinaus.
Von weither erklingt eine Frauenstimme:"Ja, ist schon gut." Und ein Frauengesicht erscheint im Türrahmen. Ida, denkt Knobi. "Nein, ich stör dich schon nicht. Wollte sowieso gerade hoch zu Frau Schmitt gehen", sagt Ida zu Kalle. Sie dreht sich um und will wieder durch die Tür verschwinden, doch da sagt sie noch: "Deine Schuhe könntest du aber doch noch ordentlich hinstellen, oder?" "Hm", knurrt da Kalle, als er wieder allein ist. Nun zieht er nacheinander Jacke, Hemd und Hose aus und schleudert sie in hohem Bogen auf die Couch, die direkt vor Knobis Fenster steht. Dann verschwindet er im Nebenzimmer. Knobi schaut sich um: Keiner kann ihn sehen, ein Baum steht schützend hinter ihm.
Er stößt das Fenster ganz auf, nimmt Schwung und - hops- ist er mit dem Ellenbogen auf dem Fensterbrett. Mit aller Kraft zieht er seinen Körper hoch, bis er ein Knie auf dem Fensterbrett hat. Dann geht alles wie von selbst. Wie ein Dieb schleicht sich Knobi in die Wohnung von Kalle, dem Kranführer. Er landet direkt auf der Couch, wo Kalles Kleidung verknüllt liegt, so, als wartet sie bereits darauf ,von Knobi angezogen zu werden. Und das hat Knobi auch vor. Schnell hat er seine Sachen ausgezogen und unter der Couch versteckt, sicher ist sicher, Die Holzklötze hat er natürlich vorher aus der Hosentasche genommen. Nun zieht er rasch Kalles Sachen an. Und schon streift er sich - dschschschschd - den Gummi des einen Klotzes über den einen Fuß und - dschschschschd - den Gummi des anderen über den zweiten Fuß.
Knobi schaut hinab auf seine Hände - er sieht sie - die Jacke ist also nicht mehr zu groß, er ist Kalle, der Kranführer! Vorsichtshalber wirft er noch einen Blick ins Nebenzimmer und stellt dabei mit Genugtuung fest, dass Kalle fest schläft.
Trotzdem, denkt Knobi, sicher ist sicher, und er steigt aus dem Fenster wieder heraus. Ida möchte er jetzt nämlich nicht gerade begegnen. Als Knobi vor Kalles Fahrrad steht, greift er in die Jackentasche und zieht mit einem Grinsen im Gesicht den Fahrradschlüssel hervor, um das Fahrradschloss aufzuschließen. Er hat sich nicht geirrt: Kalle hatte ihn in seine Jacke gesteckt, genau so wie Knobi es immer macht. Auf geht‘s ins Abenteuer! jubelt Knobi in sich hinein, während er kräftig in die Pedale tritt. Wohin er fährt? Ist doch klar, oder?"He, Kalle, was‘n jetzt los mit dir. Haste was vergessen?" ruft ein Bauarbeiter zu Knobi herüber, als er gerade das Fahrrad am Bauzaun abstellt. "Nee, bin wieder fit", ruft Knobi zurück. "Ich hab ‘ne Tablette genommen und leg jetzt ‘ne Sonderschicht ein."
"Aber ohne uns", sagt da ein anderer, der seinen Helm schon genommen hat, "wir sind fertig für heut´, und keiner hält uns hier ‘ne Minute länger. Feierabend ist Feierabend, klar?""Logisch", sagt Knobi, "geht nur nach Hause und kümmert euch nicht um mich." Kurz darauf ist die Baustelle wie leergefegt. Alles ist still, kein Motor läuft mehr, kein einziger Bauarbeiter ist mehr zu sehen. Bis auf einen einzigen: Knobi, alias Kalle, der Kranführer. Im Bauarbeiterhäuschen setzt er sich erst mal den gelben Helm auf. Und der passt wie angegossen. Dann fällt sein Blick auf das Brett, an dem der Schlüssel für den Kran hängen muss. Herrje, da hängen ja ‘ne Menge Schlüssel! stellt er fest. Zum Glück sind alle beschriftet: Lastwagen, Bagger, Kran ...ja, den Kranschlüssel, den will er, und er steckt ihn in seine Tasche.
Nun geht er zum Kran. Groß und gewaltig steht er vor ihm. "Mein Kran!" jubelt Knobi, und ein freudiges Gefühl klettert in ihm hoch. "Mein Kran, ich komme", ruft er nochmal und fängt an, die 56 Sprossen der Kranleiter hochzuklettern. Danach muss er noch zwei weitere kleine Treppchen mit je 3 Stufen besteigen, dann ist er endlich am Führerhaus. Die Tür ist nicht verschlossen, und er geht hinein. Da sitzt er nun, der Knobi, hoch über der Welt und fühlt sich wie ein König. Wie das alles anders aussieht von hier oben! Alles ist so klein wie Spielzeug. Da ist ja unser Haus, freut er sich. Er kann zwar nur das obere Stockwerk sehen, findet das aber trotzdem wunderbar. Und da läuft ja Elli mit ihrem Freund Arm in Arm umher
Nachdem er eine Weile so geschaut hat, sagt er laut: "So, jetzt wollen wir aber mal ein bißchen Gas geben, nicht wahr, mein lieber Kran?" Er holt den Schlüssel aus seiner Tasche, um ihn ins Zündschloss zu stecken. Als er ihn rumdreht, geht ein riesengroßes Getöse los. Zuerst erschreckt sich Knobi etwas, denn dass der Motor so einen Lärm machen würde, hätte er nicht gedacht. Doch um sich zu fürchten, hat er jetzt keine Zeit. Er beginnt, vorsichtig die einzelnen Hebel vor sich zu bedienen. Dabei bemerkt er, dass er nicht nur so aussieht wie Kalle, sondern dass er auch Kran fahren kann wie Kalle. Ganz schnell hat Knobi alles im Griff. "Jippijeeee!", ruft er ganz laut und lässt den Kranarm rechtsherum und linksherum, nach oben und nach unten fahren, eben so, wie er gerade lustig ist.
Unten am Bauzaun sind ein paar Menschen stehen geblieben und schauen mit offenen Mündern und runden Augen nach oben. Auch Elli und ihr Freund sind darunter. So einen wilden Kranführer haben sie noch nicht gesehen. Ha, denen werde ich was zeigen, denkt Knobi, und er lässt immer schneller und wilder den Kranarm herumfahren. Es macht ihm einen Riesenspaß. Jetzt hat er sogar einen Hebel entdeckt, der den ganzen Kran sich fortbewegen lässt. Langsam fährt der Kran auf Schienen innerhalb der Baustelle immer wieder vor und zurück. Jetzt lässt Knobi den Kranarm gezielt hinab; Ellis Freund, dieser Klaus-Peter, ist sein Ziel. Der hat so eine komische rote Mütze auf. Mit voller Konzentration lässt er das Seil mit dem Haken genau über Klaus-Peter hinab... und... schwups, ehe Klaus-Peter sich versieht, hängt seine rote Mütze am Haken.
Da geht ein großes Gelächter los bei den Zuschauern. Und ... schwups, lässt Knobi die Mütze wieder fallen, diesmal auf Ellis Kopf. Die Menschen lachen und lachen. Wie im Zoo, wenn der Affe ein Späßchen gemacht hat.
Plötzlich entdeckt Knobi im Baugelände eine etwas versteckt liegende kleine Bretterbude. Die stand sicher einmal im Hof der alten Fabrik und soll jetzt auch auf den Schrott, denkt sich Knobi. Er lässt den Kranarm genau über die Bretterbude gleiten und senkt ihn so weit wie möglich. Dann klettert er vom Kran hinunter und läuft zu dieser Bretterbude. Er hakt das Kranseil, das genau über der Bude hängt, zwischen zwei Brettern an der Bude ein. Das war keine sehr schwere Arbeit und er läuft vergnügt zurück zum Kran, um wieder im Führerhäuschen zu verschwinden. Oben lässt er den Kranarm vorsichtig in die Höhe fahren. Und tatsächlich, die Bretterbude schwebt! Vor der Baustellenausfahrt steht ein großer Lastwagen, gerade richtig für Knobi, denn er lässt den Kranarm, an dem die Bude hängt, genau über den Laster gleiten.
Dann, sachte, sachte, lässt er ihn ganz langsam nach unten fahren, bis die Bude auf dem Lastwagen zum Stehen kommt. Geschafft, denkt Knobi, zieht den Zündschlüssel aus dem Zündschloss und klettert wieder nach unten.Im Bauarbeiterhäuschen wechselt er die Schlüssel, hängt den Kranschlüssel ans Brett und nimmt dafür den Lastwagenschlüssel ab. Mit einem Satz sitzt er im Lastwagen! Auch hier findet sich Knobi natürlich schnell zurecht. Der Motor springt an, und nach einigen Versuchen weiß er, wie es vorwärts und rückwärts geht. Los geht‘s, sagt er sich und knattert guter Dinge in dem Lastwagen mit der Bretterbude aus der Baustelle hinaus. Die Leute am Bauzaun winken ihm freundlich hinterher. Auf der Straße fährt er links herum und dann immer geradeaus, an drei Häuserblocks vorbei.
Nun ist er an seinem Haus angelangt; hier will er hinten zum Hof hinein. Die Einfahrt ist etwas eng, doch Knobi ist ein guter Fahrer. Ohne Schwierigkeiten gelangt er mitten auf die Wiese im Hof. Es dauert gar nicht lange, und schon öffnen sich viele Fenster der umliegenden Wohnungen. Empörte Gesichter gucken heraus. Sicherlich schimpfen sie, aber Knobi hört es nicht, weil der Motor noch läuft. Da stellt er ihn ab, steigt langsam aus dem Auto und ruft: "Das hier ist ein Geschenk für Knobi Breuer." Und er zeigt dabei auf die Bretterbude."Ein Geschenk für alle Kinder. Aber Knobi Breuer soll der Bestimmer darüber sein, damit es keinen Ärger gibt. Der wohnt doch hier, oder?" Keiner der Bewohner sagt ein Wort, alle nicken stumm und glotzen, als wäre Knobi mit seinem Lastwagen das 7.Weltwunder.
Noch nie ist einer mit einem Lastwagen in den Hof gefahren. Und schon gar nicht, um für Kinder eine Bude zum Spielen zu bringen. Im Hof wird sowieso schon genug Krach gemacht, finden zumindest die, die keine Kinder haben, und das sind eine ganze Menge. Knobi sieht auch seine Mutter am Fenster stehen, auch sie staunt nicht schlecht. Er grinst, steigt wieder ins Auto und startet den Motor. Elegant lässt er den Kipper hochfahren und mit einem großen Plumps rutscht die Bretterbude vom Auto hinunter auf die Wiese. Und - Glück gehabt -sie steht sogar richtig herum. Knobi ist zufrieden, winkt noch mal lässig seinen Zuschauern aus dem heruntergekurbelten Fenster zu und brummt wieder davon. Er fährt noch ein bisschen durch die Stadt, hupt mal hier und mal da, bevor er wieder die Baustelle ansteuert.
Gerne hätte er noch den Bagger ausprobiert, der da so verlockend steht, aber so viel Zeit hat er nicht mehr. Er muss ja noch Kalles Sachen zurückbringen. Ordentlich stellt er den Lastwagen ab, bringt Schlüssel und Helm zum Bauarbeiterhäuschen und fährt mit Kalles Fahrrad zur Wohnung von Kalle und Ida Woll.
Dort findet er alles vor wie vorher. Hoffentlich ist diese Ida noch bei Frau Schmitt, denkt Knobi, als er das Fahrrad abschließt. Nachdem er festgestellt hat, dass niemand im Zimmer ist, kriecht er wieder zum Fenster hinein; den Karton, der immer noch davor liegt, braucht er dafür nicht mehr, er ist ja groß, er ist ja Kalle Woll. Im Zimmer liegt ein Zettel auf dem Tisch, den Knobi sofort liest: ‚Du schläfst wie ein Bär im Winterschlaf. Kann dich nicht wecken. Bin bei Emma. Ida!‘
Knobi atmet erleichtert auf, kramt seine Sachen unter der Couch hervor und zieht die Holzklötze von seinen Füßen ab. Er zieht Kalles Sachen aus und pfeffert sie auf die Couch. Nachdem er seine Sachen angezogen hat, steckt er die Holzklötze in die Hosentaschen. Schwungvoll hüpft er aus dem Fenster und landet auf dem Karton, den er dann wieder zur Mülltonne zurückstellt.
"Dideldideldum, der Knobi ist nicht dumm, Dideldideldein und auch nicht immer klein,"
singt Knobi vergnügt auf dem Nachhauseweg. Alles, was beim Gehen vor seine Füße kommt, kickt er durch die Gegend.
Kurze Zeit später sitzt er wieder in seinem Zimmer, nachdem er unbemerkt durchs Fenster gekrochen ist. Es riecht schon nach Abendessen. Da geht die Tür auf und Mutter erscheint: "Nun, Knobi, ich denke, du hast genug Zeit zum Nachdenken gehabt. Also komm raus, wir essen jetzt."Knobi merkt, wie Mutter rumdruckst, noch etwas sagen will, aber nicht so recht weiß, wie sie es sagen soll. Schließlich sagt sie: "Knobi, du, es ist zwar nicht so ganz passend, nach dem, was du heute wieder angestellt hast, aber komm doch mal mit."Sie führt Knobi zum Schlafzimmerfenster."Das hier hat heute ein Bauarbeiter gebracht", sagt sie weiter und zeigt dabei auf die Bretterbude, die im Hof steht."Er sagte, die sei für dich und die Kinder zum Spielen. Und du sollst darüber bestimmen, damit es keinen Ärger gibt.""Ist doch prima", sagt Knobi und tut so, als sei er sehr überrascht.
"Nur schade, dass ich nicht mitangesehen habe, wie der Bauarbeiter die Bude abgeladen hat."Da geht die Wohnungstür auf und Elli stürmt herein: "Mama, Papa, Sofie, Knobi, heute muss ich euch aber was erzählen...."
Seit dem Tag, an dem Knobi Kalle der Kranführer war, ist er nun der stolze Besitzer einer Bretterbude im Hof. Naja, eigentlich gehört sie allen Kindern, aber Knobi darf eben bestimmen. Das ist auch gut so. Wenn es irgendwie Ärger gibt, regelt das Knobi. Dass im Hof eine Bretterbude steht, hat sich natürlich in der ganzen Nachbarschaft herumgesprochen. Und nicht selten sieht man Kinder im Hof spielen, die drei, vier, oder sogar fünf Häuserblocks weiter wohnen. Mal ist die Bude ein Indianerfort, mal eine Ritterburg; mal ist sie eine Raumstation und dann wieder ein Gefängnis.Einmal, als Knobi in den Hof spielen gehen wollte, traute er seinen Augen nicht, als er zur Bude kam.
Lauter Müll lag darin: leere Bierflaschen, leere Chipstüten, Kaugummipapier und unzählig viele Zigarettenkippen. Da war Knobi vielleicht sauer. Irgendwelche Typen hatten seine Bude als Abfalleimer benutzt! Knobi blieb nichts anderes übrig, als den ganzen Dreck wegzuschaffen. Dann hat er sich von seinem Taschengeld ein Schloss gekauft und die Tür damit verriegelt. Seitdem hat Knobi nun auch ein richtiges Geheimversteck für seine Holzklötze. In der Bude hat er nämlich unter ein paar Bodenbrettern ein Loch gebuddelt und sie dort hineingelegt. Ein bombensicheres Versteck ist das.Knobi sitzt in seinem Zimmer am Schreibtisch und bemüht sich gerade, den Feuerstein aus seinem Auto herauszubekommen. Das Auto hat ihm Tante Nette geschenkt. Es ist so ein aufziehbares, das, wenn es fährt, hinten Funken heraussprüht.
Eigentlich soll Knobi längst ausgezogen und im Bett sein. Zu Abend haben Breuers schon gegessen und draußen wird es langsam dunkel. Doch Knobi will heute nicht schlafen. Schön war es heute, denkt er und bricht dabei, in Gedanken versunken, Plastikteile vom Auto ab. Alle waren sie heute im Hof spielen. Britta hatte Rolf dabei,ihren Cousin, der toll durch die Finger pfeifen kann. Und sie haben ‚Reise nach Amerika‘ gespielt. Die Bretterbude war das superschnelle, selbstgesteuerte Düsenjäger-Privatflugzeug. Knobi und Rolf waren die Piloten, Britta, Marco und Mario die Passagiere. Sie mussten leider in der Wüste notlanden, weil eine Düse verstopft war. Aber schließlich kamen sie doch nach Amerika, und Knobi konnte Rolf seine 10 Wolkenkratzer voll Gold zeigen. Leider hatte Knobi heute keine Zeit für seine Hausaufgaben. Und leider konnte er auch nicht die von gestern nachholen.
Das ist auch der Grund, warum Knobi heute nicht schlafen will. Er hat Angst. Angst vor morgen. Frau Schuster ist ja eigentlich ganz nett, aber sie kann fürchterlich streng zu dem werden, der seine Hausaufgaben nicht macht. Gestern schon hatte Knobi keine Aufgaben, und in seiner Not hat er gelogen. Er hat gesagt, dass er die Aufgaben zwar gemacht, nur leider sein Heft zu Hause liegen gelassen hätte."Nun, Knobi", sagte die Lehrerin, "wenn das so ist, kommst du bitte morgen früh gleich als erster zu mir und legst mir dein Heft vor. Und vergiss nicht, in dieses Heft auch die Hausaufgaben von heute hineinzuschreiben. Ist das klar?" "Ja", antwortete Knobi und war froh, dass er das noch mal so gut hingekriegt hat. Er hatte sich auch ganz fest vorgenommen, die Aufgaben von gestern und heute zu machen.
Aber zu Hause dann, Knobi hatte gerade die Nudeln aufgegessen, die in der Küche für ihn bereitstanden, hörte er plötzlich, wie ‚Knobi‘ gerufen wurde. Er schaute aus dem Küchenfenster und sah unten im Hof Britta und Rolf wild winken. Und die Sonne lachte so freundlich. Da war Knobi auch gleich unten im Hof. Erst beim Abendessen fiel es ihm wieder ein, als Mutter fragte: "Hast du auch deine Hausaufgaben gemacht?" "Ja", log er und bekam einen Riesenschreck. Was mache ich nur, denkt Knobi und drückt dabei den Schraubenzieher ins Auto. Soll ich morgen die Schule schwänzen? Oder soll ich morgen einfach so tun, als ob ich fürchterliche Bauchschmerzen hätte? Mit aller Kraft landet der Schraubenzieher im Auto, die Plastikteile fliegen nur so herum. Ach, das hat alles überhaupt keinen Zweck und macht es nur noch schlimmer.
Hausaufgaben nicht vergessen, auch wenn ich zwei Wochen krank wäre. Dann würde sie mich gleich am ersten Tag fragen, wo die Hausaufgaben von vor zwei Wochen wären. Da geht die Tür auf und Mutter guckt ins Zimmer: "Knobi, es ist bereits halb neun. In zwei Minuten liegst du im Bett, sonst geht ein Donnerwetter los", schimpft sie. Auch das noch, seufzt Knobi leise, auf dieses Donnerwetter kann ich verzichten. Er legt das Auto beiseite, das eigentlich gar kein Auto mehr ist, zieht seine Sachen aus, schlüpft in den Schlafanzug und geht sich die Zähne putzen. Im Bett kommen ihm immer wieder diese dummen Gedanken. Was wird ihn morgen in der Schule erwarten? Alle werden ihn in seiner Klasse anglotzen, weil er wieder mal keine Aufgaben hat. Was soll er nur machen?
Und überhaupt, Frau Schuster kann so streng sein. Soll er Mutter alles beichten und sie darum bitten, eine Entschuldigung zu schreiben? Nein, das wird er nicht tun. Zu genau weiß er, wie Mutter reagieren würde: Wer sich etwas einbrockt, muss die Suppe auch selbst wieder auslöffeln, würde sie sagen. Und dann würde sie sooo enttäuscht sein und traurig, weil IHR Knobi nicht fleißig in der Schule ist. Nein, nein, das würde alles noch viel schlimmer machen. Knobi angelt sich das Auto, an dem er vorhin gearbeitet hat, vom Schreibtisch und fingert weiter daran herum. Als Mutter hereinkommt, versteckt er es unter der Bettdecke. "Gute Nacht, mein Schatz, und träum‘ was Schönes", sagt sie, gibt ihm einen Kuss und knipst das Licht aus. "Gute Nacht", antwortet Knobi traurig.
Kurz bevor Mutter aus der Tür verschwindet, dreht sie sich noch mal um und sagt: "Und kein Theater heute, klar?" "Klar", gibt Knobi mit einem Seufzer zur Antwort, und dann ist er wieder allein. Er knipst seine Bettlampe wieder an und holt sein Auto hervor. Verdammt, flucht er, irgendeine Lösung muss es doch geben. Knobis Gedanken kreisen um Frau Schusters Haus. Ja, jetzt sieht er es genau vor sich, und er sieht auch das Klapp-Kellerfenster für Polly, Frau Schusters Katze. Moment mal, denkt er, ich könnte doch...... und mit einem Satz schmeißt er das Autowrack auf den Tisch, springt aus dem Bett, holt seinen Wecker und stellt ihn auf halb sechs. Ha, denkt Knobi, und er entscheidet, dass morgen ein schöner und lustiger Tag werden wird.
Morgen werden ich und noch viele andere in der Schule eine Menge Spaß haben! Und vor lauter guter Laune fliegt er fast zurück in sein Bett, knipst das Licht aus und will auch gleich einschlafen. Leider ist er jetzt, nachdem er diese Entscheidung getroffen hat, ziemlich aufgeregt. Er muss sich erst einige Male von der einen Seite auf die andere wälzen, bis es dann endlich doch klappt. Knobi schlummert ein. Beim ersten Klingelton des Weckers sitzt Knobi am nächsten Morgen aufrecht im Bett. Es ist halb sechs. Draußen ist es noch dunkel. Knobi wundert sich über die Stille in der Wohnung. Viel stiller als sonst, stellt er fest. Er knipst das Licht an und schlüpft hastig in seine Anziehsachen. Vor lauter Hast hat er vergessen, die Unterhose anzuziehen. Also noch einmal: Jeans aus-Unterhose an- Jeans wieder an. So, jetzt stimmt alles. Zum Waschen hat er keine Zeit. Schnell kritzelt er auf einen Zettel:
Mus heute früer in die Schule, hab es fergessen zu sagen. Schüs oier Knobi‘ Damit geht er ganz leise in die Küche und legt ihn auf den Küchentisch Bis auf Knobi ist noch keiner wach. Leise, ganz leise schleicht er sich zur Wohnungstür. (Knobi ist ein guter Schleicher!) Er schlüpft in seine Schuhe und verschwindet im Treppenhaus. Zufrieden greift Knobi nach dem Budenschlüssel in seiner Hosentasche. Im Hof schließt er die Bretterbude auf und geht hinein. Er hebt die Bodenbretter über seinem Geheimversteck hoch, legt sie beiseite und nimmt mit einem Grinsen die Holzklötze heraus. Sorgfältig legt er die Bretter nun wieder drauf, steckt in jede Hosentasche einen Klotz und schließt von außen die Bretterbude wieder ordentlich ab.
Knobi schleicht wie eine Katze um das Haus und schaut dann auf seine Uhr: Kurz nach 6 Uhr ist es schon. Hm, denkt er, hoffentlich schläft sie noch, und geht vorsichtig weiter. Suchend schaut er sich um. Wo ist denn dieses Kellerfenster? fragt er sich. Plötzlich hört er es neben sich im Gebüsch rascheln. Knobi bleibt wie erstarrt stehen. Er traut sich noch nicht mal irgend etwas zu denken. Wieder raschelt es. "Miauuuuuu", tönt es nicht gerade laut, aber deutlich aus dem Gebüsch, und eine Katze schleicht daraufhin gemächlich heraus. Polly, denkt Knobi erleichtert, doch der Schreck sitzt ihm noch in den Knochen. Polly stört sich nicht an Knobi. Im Gegenteil, genau neben ihm bleibt sie stehen, drückt ihren Körner an sein rechtes Bein und streckt sich genüsslich. Knobi rührt sich nicht. "Miauuuu", gibt Polly noch einmal von sich und läuft weiter, bis sie um die Hauswand herum verschwunden ist.
Aha, denkt Knobi, da kann ich hinterm Haus lange nach dem Kellerfenster suchen, wenn es an der Seitenwand ist. Er geht bis zur Ecke, um Polly nachzuschauen. Gerade in diesem Augenblick sieht er sie durch das Kellerfenster verschwinden. Knobi wartet einen Augenblick, denn auf ein weiteres Zusammentreffen mit Polly will er lieber verzichten. Dann krabbelt er genauso leise wie Polly durch das Kellerfenster. Huu, ist das dunkel, nur schattenhaft kann er Dinge erkennen. Er schleicht durch die erste Tür, die er wahrnimmt. Jetzt wird es etwas heller, und er entdeckt die Treppe, die nach oben führt. Wie ein Einbrecher tastet sich Knobi durch das Haus. Schritt für Schritt bewegt er sich vorsichtig vor, um ja keinen Krach zu machen.
Wo ist nur das Schlafzimmer? Knobi geht auf Zehenspitzen eine zweite Treppe hinauf. Da war doch was! -- Und da, schon wieder! Was ist das? Knobi wird etwas ängstlich und hört genau hin: Kein Zweifel, im Bad läuft bereits der Wasserhahn. Verdammter Mist! denkt er, Frau Schuster ist schon aufgestanden und wäscht sich gerade im Bad. Was mache ich jetzt nur? Umdrehen und in die Schule gehen? Nee, nee, wo ich schon hier bin, kehr ich so schnell nicht um, macht sich Knobi selber Mut. Wenn der Wasserhahn läuft, ist es besonders laut im Bad, also kann mich Frau Schuster nicht so leicht hören, wenn ich hier herumlaufe, überlegt er. Jetzt muss ich mich nur beeilen. Hoffentlich ist Frau Schuster eine besonders saubere Frau und wäscht sich schön lange in ihrem Bad.Knobi geht schnellen Schrittes die letzten Stufen nach oben und blickt sich um. Hier war er nicht gewesen, als er sie mal besucht hatte .
Da war er nur im Parterre. Wo könnte jetzt nur das Schlafzimmer sein? überlegt Knobi, während er vier Türen betrachtet. Eine davon ist nur angelehnt, und auf die geht er zu. Doch da kriegt Knobi schon wieder einen riesengroßen Schreck! Eben fängt Frau Schuster im Bad auch noch zu pfeifen an. Nachdem er sich von seinem Schreck erholt hat, schielt Knobi in das Zimmer mit der angelehnten Tür - Volltreffer! Es ist das Schlafzimmer. Frau Schuster ist nicht nur eine saubere, sondern auch eine ordentliche Frau: Sorgfältig gerichtet liegen hier die Sachen auf dem Bett, die sie wohl gleich anziehen will. Na also, denkt Knobi, und weiß jetzt, was er zu tun hat. Rasch kramt er die Holzklötze aus seinen Hosentaschen hervor und legt sie auf das Bett.
Er zieht seinen Pulli und seine Hose aus und schlüpft in die bereitliegenden Sachen. Ojee, das ist ja das blaukarierte Kleid, das Frau Schuster heute anziehen wollte. Jetzt erst merkt Knobi, dass er zum ersten Mal eine Frau werden wird. Und dann auch noch gleich im Kleid! Egal. Als er es anhat, schaut er an sich herunter, und ohne in einen Spiegel zu blicken, weiß er, dass er fürchterlich darin aussehen muss. Es fällt bis auf den Boden, so groß ist es. Doch das wird sich ja gleich ändern. Und schon streift er sich - dschschschschd - den Gummi des einen Klotzes über den einen Fuß und - dschschschschd - den Gummi des anderen Klotzes über den zweiten Fuß. Knobi schaut hinab auf seine Hände - er sieht sie - das Kleid ist also nicht mehr zu groß, er ist Frau Schuster, die Lehrerin. Im selben
Augenblick hört er, wie im Bad jemand einen großen Seufzer von sich gibt. Das war bestimmt Frau Schuster, denkt er, pfeifen tut sie auch nicht mehr. Nur das Wasser plätschert noch munter vor sich hin. Knobi schleicht sich an die Badezimmertür. Ganz behutsam drückt er die Klinke herunter und schiebt die Tür einen winzigen Spalt auf, um hindurch zu spähen. Was er sieht, freut ihn in höchstem Maße: Frau Schuster sitzt auf dem Klodeckel und schläft friedlich. Nun, Frau Schuster, denkt Knobi, wir wollen doch nicht so viel Wasser verschwenden, nicht wahr? Und er geht zum Wasserhahn, um ihn abzustellen. Schnell hat Knobi den Weg nach draußen gefunden.
Er geht durch die Haustür und vergisst auch nicht die Ledertasche mitzunehmen, die auf dem Stuhl im Flur liegt. In dieser Tasche hat Frau Schuster immer den großen Schlüsselbund und das rosa Heft. Auf der Straße läuft er vergnügt und freut sich wie schon lange nicht mehr auf die Schule. Jetzt ist es bereits hell, und die Straßen beleben sich immer mehr. Auf dem Schulhof ist allerdings noch kein Kind zu sehen. Die Uhr zeigt gerade erst sieben. Als Knobi den Schulhof betritt, ist der Hausmeister gerade dabei, die in aller Frühe ausgelieferte Schulmilch ins Schulgebäude zu schleppen. Und als er Knobi erblickt, ruft er: "Morgen, Frau Schuster, Sie sind die Erste heute, haben wohl viel vor mit Ihren Kleinen, was?" Dabei lacht er etwas schelmisch. "Guten Morgen, Herr Reif", antwortet Knobi, "ja, da haben Sie recht. Ich habe heute viel vor mit den Kleinen besonders viel sogar."
Und Knobi lacht jetzt sogar noch schelmischer als Herr Reif zuvor. "Aber lassen Sie sie leben, klar?" ruft Herr Reif lachend hinterher. "Klar", ruft Knobi zurück und verschwindet im Schulgebäude, um in den Klassenraum zu gehen. Im Klassenraum geht Knobi erst einmal zu Frau Schusters Pult und holt das rosa Heft aus der Ledertasche. Er schlägt es auf, um darin zu blättern, bis er die Seite gefunden hat, die er suchte. ‚BREUER KNOBI‘ steht oben geschrieben, und bei der Spalte ‚HAUSAUFGABEN‘ sind viele rote Minuszeichen zu sehen. Das haben wir gleich, denkt Knobi, nimmt den roten Kuli, der auf dem Pult liegt, und zieht durch alle Minusse je einen senkrechten Strich hindurch. Anschließend betrachtet er zufrieden sein Werk. Ha, aus allen Minuszeichen sind jetzt Pluszeichen geworden.
Aus dem Schüler Knobi, der sehr oft seine Hausaufgaben nicht macht, ist jetzt ein guter Schüler geworden, der immer seine Hausaufgaben erledigt. Hinter die Bemerkung ‚ Knobi muss mir Hausaufgaben von zwei Tagen vorlegen‘, die unter auf der Seite zu lesen ist, macht er lässig ein Häkchen, was so viel heißt wie, die Sache hat sich erledigt. Nun ist alles bereinigt, was Knobi auf dem Herzen lastete. Er geht zum Fenster und beobachtet, wie der Schulhof sich langsam füllt. Die Sonne ist schon längst aufgegangen, und es scheint, dass heute wieder so warm wird, wie schon seit Tagen. Es dauert auch gar nicht lange, da blinkt es zum ersten Mal. Knobi sieht vom Fenster aus, wie die Kinder sich langsam an ihren Plätzen aufstellen. Als es zum zweiten Mal blinkt, geht Knobi hinunter und holt die Klasse ab, so wie Frau Schuster das auch jeden Morgen tut.
Kurz darauf herrscht im Klassenraum erst einmal die allmorgendliche Unruhe, bis jedes Kind seinen Ranzen abgestellt hat, an seinem Platz ist und vom Nachbarn erfahren hat, ob der auch den Film gestern gesehen hat. Doch dann kehrt allmählich Ruhe ein. Die Kinder stehen an ihren Plätzen und warten darauf, dass Frau Schuster ihnen einen schönen, guten Morgen wünscht. "Ich wünsche euch einen schönen guten Morgen", sagt Knobi in die Klasse hinein und lächelt dabei genau wie Frau Schuster. "Guten Morgen, Frau Schuster", antworten die Kinder im Chor und nehmen Platz. "So, ihr Lieben, heute lassen wir Bücher, Hefte und Stifte im Ranzen", verkündet Knobi mit dem süßesten Lächeln. Die Kinder schauen sich verdutzt an, sie glauben, sich verhört zu haben.
"Ich weiß nämlich etwas Besseres", fährt Knobi fort. "Wir werden im oberen Schulgebäude Verstecken spielen!" So etwas lassen sich die Kinder natürlich nicht zweimal sagen, sie brüllen begeistert durcheinander: "Jeeeh, Jipiii, wir spielen Verstecken, super, toll, jeeeeeh....!""
Ihr versteckt euch, und ich suche als erste", kann Knobi nur noch schreien. Außer Rand und Band rasen nun alle durchs obere Schulgebäude. Da kann man sich wirklich herrlich verstecken. Knobi zählt laut bis hundert, und es beginnt ein Versteckspiel, wie es noch nie in der Schule gespielt wurde. Immer wieder fangen sie von vorne an, alle haben vor Begeisterung ganz rote Backen. Erst nach einer Stunde sind alle erschöpft und können nicht mehr.
"So", sagt Knobi, als sie wieder im Klassenraum sind, jetzt darf sich jedes Kind so viel Kreide nehmen, wie es will und darf die Tafel voll malen." Auch darüber sind die Kinder hocherfreut, schon immer wollten sie das mal machen. Nur Frau Schuster hatte sonst immer etwas dagegen. Dass sie heute so viel erlaubt, können sie gar nicht verstehen. Aber das wollen sie auch nicht; sie malen lieber. Und so malen und malen und malen sie, bis nicht nur die ganze Tafel voll ist, sondern auch alle Wände und Türen. Knobi malt natürlich mit. Dann spielen alle Fangen auf Tischen. Keiner darf den Boden berühren, sonst ist er an der Reihe.
Anschließend wird noch eine große Schwammschlacht veranstaltet. Wer schon einmal einen klitschnassen Schwamm gefangen hat, weiß, wie nass man dabei wird. Doch den Kindern macht das nichts aus. Im Gegenteil, je nasser, desto besser. Alle stehen auf den Tischen, und der Schwamm wird herumgeworfen, wer nicht fängt, scheidet aus, wer fängt, wird nass. Und damit auch alle wirklich richtig nass werden, geht Knobi noch zum Wasserhahn und lässt das Wasser wie aus einem Gartenschlauch herausspritzen, indem er den Daumen auf die Hahnöffnung drückt. Da rennen, schreien und brüllen die Kinder vor Vergnügen. Plötzlich blinkt es. Die Schule ist aus. Das Blinken, sonst immer sehnsüchtig erwartet, wollen sie jetzt gar nicht wahrhaben. Sie wollen noch nicht nach Hause gehen, heute ist es so schön in der Schule.
Kommt, wir machen noch eine Polonaise," ruft Knobi. Damit sind alle einverstanden. Sie stellen sich hintereinander auf, halten sich an der Schulter des Vordermannes fest und marschieren durch‘s ganze Gebäude und den Schulhof. Dabei rufen sie ganz laut: "Frau Schuster lebe hoch, Frau Schuster lebe hoch!"An den Seiten stehen Schulkinder mit offenen Mündern und lassen die jubelnde Schar vorbei. So fröhliche und außerdem noch klitschnasse Kinder haben sie noch nie gesehen. Und eine Lehrerin, die bei so etwas noch mitmacht, erst recht nicht. Viele lassen sich von dieser Fröhlichkeit anstecken, reihen sich in der Schlange ein und marschieren einfach mit. Angela, die glaubt, ihr Vordermann sei Frau Schuster, sagt zu dieser: "Schade, dass Knobi heute nicht dabei ist.
Anschließend wird noch eine große Schwammschlacht veranstaltet. Wer schon einmal einen klitschnassen Schwamm gefangen hat, weiß, wie nass man dabei wird. Doch den Kindern macht das nichts aus. Im Gegenteil, je nasser, desto besser. Alle stehen auf den Tischen, und der Schwamm wird herumgeworfen, wer nicht fängt, scheidet aus, wer fängt, wird nass. Und damit auch alle wirklich richtig nass werden, geht Knobi noch zum Wasserhahn und lässt das Wasser wie aus einem Gartenschlauch herausspritzen, indem er den Daumen auf die Hahnöffnung drückt. Da rennen, schreien und brüllen die Kinder vor Vergnügen. Plötzlich blinkt es. Die Schule ist aus. Das Blinken, sonst immer sehnsüchtig erwartet, wollen sie jetzt gar nicht wahrhaben. Sie wollen noch nicht nach Hause gehen, heute ist es so schön in der Schule.
"Kommt, wir machen noch eine Polonaise," ruft Knobi. Damit sind alle einverstanden. Sie stellen sich hintereinander auf, halten sich an der Schulter des Vordermannes fest und marschieren durch‘s ganze Gebäude und den Schulhof
An den Seiten stehen Schulkinder mit offenen Mündern und lassen die jubelnde Schar vorbei. So fröhliche und außerdem noch klitschnasse Kinder haben sie noch nie gesehen. Und eine Lehrerin, die bei so etwas noch mitmacht, erst recht nicht. Viele lassen sich von dieser Fröhlichkeit anstecken, reihen sich in der Schlange ein und marschieren einfach mit. Angela, die glaubt, ihr Vordermann sei Frau Schuster, sagt zu dieser: "Schade, dass Knobi heute nicht dabei ist. Der verpasst ja was!" "Ach, der hat bestimmt auch seinen Spaß," antwortet Knobi. Angela versteht das zwar nicht, sagt aber nichts mehr. Dann laufen alle Kinder glücklich nach Hause. Knobi ruft ihnen noch hinterher, dass sie heute keine Hausaufgaben aufhaben und macht sich auch auf den Heimweg. Natürlich führt sein Weg erst mal zu Frau Schuster.
Er hat keine Angst, dass Frau Schuster bereits aufgewacht sein könnte. Durch die Haustür geht er ins Haus hinein, stellt die Ledertasche auf den Stuhl und steigt die Stufen zum Schlafzimmer hoch. Er schielt ins Bad und sieht dort Frau Schuster immer noch auf dem Klodeckel schlafen. Im Schlafzimmer wird er wieder von Polly begrüßt. Sicher kommt Frau Schuster recht bald aus dem Bad heraus, wenn sie erst mal aufgewacht ist, denkt Knobi. Ich muss mich hier schnell aus dem Staube machen. Eilig zieht er das blaukarierte Kleid aus, legt es wieder schön aufs Bett und streift sich die Holzklötze von den Füßen ab. Er schnappt sich seine Hose und seinen Pulli und rennt in Unterwäsche die Treppe hinunter bis in den Keller.
Erst dort zieht er seine Sachen wieder an, steckt seine Holzklötze in die Hosentaschen und klettert aus dem Kellerfenster hinaus ins Freie.
"Dideldideldum, der Knobi ist nicht dumm, Dideldideldein und auch nicht immer klein,"
singt Knobi quietschvergnügt und macht sich auf den Heimweg. Bevor er zu Hause die Wohnung betritt, versteckt er erst sorgfältig die Holzklötze in der Bretterbude. In der Küche wärmt er gerade den KarottenKartoffeleintopf auf, der auf dem Herd für ihn bereitsteht, da klingelt es plötzlich an der Haustür. Als Knobi die Tür öffnet, steht Angela da. "Knobi", sagt sie atemlos, "Knobi, du hast vielleicht heute was verpasst, warum warst du nicht in der Schule? Du kannst dir das einfach nicht vorstellen. Frau Schuster hatte total gute Laune.
Wir haben sie alle gar nicht mehr wiedererkannt. Vielleicht war sie auch betrunken. Jedenfalls haben wir statt Rechnen und Schreiben nur gespielt, den ganzen Vormittag nur gespielt. Kannst du dir das vorstellen? Und was für Spiele! Das war echt Wahnsinn! Fangen auf Tischen, Schwammschlacht, Verstecken, ach ich kann alles gar nicht mehr aufzählen. Du Ärmster, dass du heute nicht dabei warst! Dass du ausgerechnet heute fehlen musstest!" beendet Angela ihre Rede und sieht dabei ganz mitleidsvoll aus. Als sie gerade wieder gehen will, fällt ihr noch ein: "Ach, und Hausaufgaben haben wir heute auch keine auf! Tschüss!"
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